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das leipziger lifestyle magazin. ein hoch auf die kreativen dieser stadt!

what a day for a daydreamin‘ boy and i’m lost in a daydream dreamin‘ about my bundle of joy.

Mehr Regen als Sommer und ein abgeschlossenes Jahresabo für Französisch bei der E-Learning-Plattform Babbel– so lautet das Zwischenfazit mitten im August. Die großen Sommerferien waren vorbei, die Abwesenheitsnotizen wurden weniger und so langsam stellten sich alle gedanklich auf den Herbst ein. Moment mal! Doch so schnell hatten wir den Sommer trotz Regenwetter allerdings noch nicht abgeschrieben, denn in unserer Bahn-App wartete schon seit vielen Wochen ein ganz besonderes Zugticket – nämlich unsere Reise nach Südfrankreich oder genauer nach Marseille in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Bereits vor zwei Jahren führte uns die Sommerreise nach Frankreich, damals nach Nantes in die Bretagne – diesmal wollten wir allerdings den Süden des Landes erkunden. Doch, warum eigentlich Marseille? Gute Frage! Die Antwort lieferte in den vorherigen Recherchen tatsächlich das französische Bahnnetz des TGVs und die gute Anbindung an die Küstenstadt. Innerhalb von knapp elf Stunden ist es möglich mit dem Zug von Leipzig bis zur französischen Hafenstadt zu gelangen – und das ohne Schwierigkeiten. Verrückt oder? Das dachten wir uns auch! Vielleicht lag es aber auch daran, dass Marseille auf meiner Reiseliste ganz oben stand, weil hier die meisten Sonnenstunden Frankreichs gezählt werden. Kommt mit auf eine kleine Reise nach Marseille!

[Empfehlung: ICE von Leipzig Hbf 10.48 Uhr – Baden-Baden oder Karlsruhe– Marseille St. Charles 21.48 Uhr, 11h, 1 Umstieg]

Kurz nach unserer Ankunft beschlich uns mitten in der Nacht ein merkwürdiges Gefühl, während wir durch die Dunkelheit der Küstenstadt unseren Koffer laufstark rollten. Die Hitze wirkte wie eine Wand gegen die wir ankämpften. Es waren kaum Menschen auf den Straßen unterwegs. Doch stattdessen stapelten sich an den Kreuzungen Matratzen, Müll und merkwürdige Gerüche. Wir murmelten vor uns her: „Warum eigentlich nochmal Marseille?“ und angelten den Schlüssel unseres Apartments unter einem Blumenkübel hervor. Der brutalistische Bau unseres Apartments wirkte im orangefarbenen Licht noch einschüchternder, als wir ihn von den Fotos kannten. Wir mussten erstmal durchatmen. Vielleicht kratzte auch nur die Müdigkeit an uns. Nach einer ersten Nacht sah das französische „Savoir vivre“ von unserer Dachterasse mit Blick auf den Hafen schon ganz anders aus. Wir befanden uns im 2. Arrondissement, das sich rund um den alten Hafen erstreckt und von der mittelalterlichen Festung Saint-Jean und der gestreiften Kathedrale von Marseille umgeben ist. Die Cathédrale „La Major“ hatten wir jederzeit im Blick. Jeder gute Urlaub in Frankreich beginnt mit einem ersten “Je voudrais un croissant”, einem Cappuccino und einem gemütlichen Bummel durch die historische Altstadt. Die Nähe zur Provence wird uns dabei mehr als deutlich, denn in vielen kleinen Lädchen wird die berühmte „Savon de Marseille“-Seife verkauft – doch nicht jede kommt dem Original mit einem Reinheitsgebot von mindestens 72 Prozent Olivenöl nahe. Wir entschieden uns stattdessen für ein gutes duftendes Duschgel mit Lavendel.

[Empfehlung: Wohnen, Plumguide, La Romance für 4 Gäste. Lunch (vegan), Hododa. Konditorei, La Pépite]

Später als wir es von Zuhause gewohnt waren und früher als wir es uns wünschten, hüllte sich der gesamte Himmel über der Stadt am Abend in rosafarbene Wolken und färbte den Hafen, die kleinen Boote und die traumhafte terrassenartige Aussicht zur Basilika „Notre-Dame de la Garde“ in ein goldenes Licht, das an alte Retro-Filme erinnert. Wir spazierten entlang der alten, gigantischen Stadtfestung „Fort Saint-Jean“ und entdecken viele kleine Durchbrechungen, die sich herrlich dafür angeboten haben, den Sonnenuntergang auf den warmen Steinen zu beobachten. Der historische Leuchtturm „Tour du fanal“ leitete jahrelang die Schiffe in den Hafen und an diesem Abend die Sonne auf ihrem Weg, um im Meer zu verschwinden. Für einen Moment betrachten wir schweigend die sanften Wellen und registrieren so langsam, dass wir mitten im Sommer am Mittelmeer angekommen sind. Für die kommenden Tage Auf dem Heimweg passieren wir die belebte Hafenpromenade und die zahlreichen Spätis, die wirklich bis in die Nacht offen haben. Perfekt, um sich noch schnell für die warmen Abende einen Prosecco mitzunehmen.

[Empfehlung: Mucem – Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers & Fort Saint-Jean, Dienstag geschlossen]

Obwohl Marseille als älteste Stadt Frankreichs gilt und von historischen Bauten umzingelt ist, hat es das Fahrrad mit einem wunderbaren neuen Radweg entlang der Küste geschafft. Der neu entstandene, teilweise extra abgepollerte Radweg – im Französischen als „Corniche“ betitelt, schlängelt sich vom Alten Hafen (Vieux-Port) zu den Stränden des Prado am Fuße der David-Statue und darüber hinaus. Obwohl den französischen Verkehrsteilnehmer*innen oftmals eine chaotische Fahrweise angeheftet wird, erleben wir das reinste organisierte Chaos und durchaus sehr viel Zuvorkommnis. Die Leihräder knacken beim Treten, die Hitze pustet uns seit Tagen unermüdlich ins Gesicht, der Asphalt und die Schuhsohlen glühen, doch zum ersten Mal weht uns frischer Fahrtwind um die Nase. Trotz anfänglicher Skepsis sind die Leih-E-Bikes von Donkey Republic die beste Entscheidung, die wir hätten treffen können, denn Marseille ist viel bergiger als gedacht. Auf unserem ersten Ausflug kann ich es kaum glauben, als sich direkt vor uns das türkisblaue Meer-Panorama erstreckt und wir geradezu auf das funkelnde, blaue Wasser schauen. In das monotone Knacken der Pedalen mischt sich ein lauter, glücklicher Aufschrei! Die Aussicht war einfach unglaublich! Nach den ersten Tagen in den schattigen Gassen, Shopping Abenteuern und dem Erkunden des Marseiller Kulturerbes wird es Zeit für einen Ausflug zum Strand, den Geschmack von Salzwasser und den tagelangen Geruch von Sonnencreme. Das Einzige, was uns nur zu unserem Glück fehlt: Ein großer Sonnenschirm, denn die 35°C machen sich am glühend heißen Sandstrand stark bemerkbar – was kurzzeitig hilft, ist das größte Wassereis, das ich gegessen habe. Das in Marseille hergestellte Wassereis von „Crocalo“ gibt es in vielen Geschmacksrichtungen und ist dazu noch wirklich “géant”!

[Empfehlung: Plage du Prophète, Sand- und Steinstrand, Bikestation und Imbiss direkt vor Ort. Boujou Café. Restaurant Peron]

Selbst nach einer Woche in dieser gigantischen, florierenden Mittelmeer-Stadt haben wir nur einen Bruchteil gesehen und uns längst nicht durch alle tollen Restaurants probiert. Was man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte, ist jedoch das 6. Arrondissement. Hier führen viele kleine Gassen hinauf zur Basilika Notre-Dame de la Garde. Zudem gibt es in diesen verwinkelten Straßen viele versteckte, wunderschöne Restaurants, Shops, Cafés, Buchläden, Secondhand-Läden und Clubs rund um den Platz Cours Julien. In der Boulangerie „PAIN PAN!“ naschen wir Cruffins mit Aprikosenmarmelade, im „Café la Muse“ probieren wir Thunfischsteak mit Aprikosensauce und einen Wein zum Lunch – klassisch französisch, in der liebevoll eingerichteten Bücherei „Provisions Marseille“ verweilen wir für Lasagne mit Aubergine und Aprikosennektar länger als eine ganze Mittagspause und in der Pizzeria „La Bonne Mère“ verbringen wir einen fantastischen Abend direkt auf der Anhöhe zur Basilika. Wir verstehen, wieso die Pariser*innen ebenfalls ihre Sommerferien an der Küste in Marseille verbringen und wünschten uns, wir könnten nur einen Bruchteil der wunderbaren Restaurants und Cafés mit nach Hause nehmen. Selbst unsere wenigen französischen Sätze werden willkommen aufgenommen und im besten Englisch beantwortet. Erst, als wir wirklich am höchsten Punkt der Stadt stehen, erblicken wir die Ausmaße der zweitgrößten Stadt Frankreichs mit über 870.00 Einwohner*innen. Unserem Leipziger Auge fällt sofort das fehlende Grün in der Stadt auf, das hier allerdings von viel Blau vor der Haustür abgelöst wird. Das Mittelmeer liegt uns zu Füßen. Was man bei einem Besuch in Marseille auf jeden Fall nicht missen sollte, ist ein Besuch auf den vorgelagerten „Les Ìles“-Inseln und den romantischen Calanques im Süden – einem Nationalpark an der Küste mit wilden Steinformationen und kleinen Buchten. Beim nächsten Mal dann. Au revoir, Marseille! Es war wunderschön!

[Empfehlung: Splendido, Forest Marseille, Placette, Livingston, COPAINS]

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