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wahr ist, was wahr ist. dass das, was war nicht mehr da ist.

“Luise, du musst öfter solch Experimente machen, wie deine Basenkur. Das war so lustig zu lesen.” – und so saßen einige meiner Herzensmenschen und ich sonntags bei Kaffee, also Sekt und lassen unsere Brains ordentlich stormen. Rausgekommen ist, neben einigen Ideen, die ich ablehnen musste, weil mir ein tadelloses polizeiliches Führungszeugnis doch sehr am Herzen liegt, folgendes: Ein kauffreier Monat. Ein Monat ohne Onlineshopping (“Nur mal eben den Warenkorb bestellen vor dem ersten Kaffee”) , Spontankäufe (“Huch, ist das aber ein schönes Oberteil”), emotionalen Käufen (“Ich habe diesen Nagellack einfach verdient, immerhin bin ich heute aufgestanden.”) und sonstigen Käufen (“Eine Pfütze Wein im Bordbistro für den Preis eines ganzen Weinbergs? I am in.”). Je mehr ich mich mit dem Gedanken beschäftige, desto begeisterter wurde ich, dem Konsum für einen Monat zu entsagen. Ich war sicher, dass mein Kleiderschrank nach diesem Monat auf eine sehr elegante, aus drei Farbtönen bestehende Mini-Capsule-Collection schrumpfen und sich mein Einrichtungsstil weg von “mehr Deko ist die beste Deko” hin zu monochromen Minimalismus kultivieren würde.

Beschwingt von meinen pre-asketischen Lifestyle erzählte ich Freundin M. von meinem großen Plan. Ihre Reaktion: “Voll schön, ich mach das schon seit fast acht Wochen und es ist gar nicht schwer.” Tja, wieder was gelernt: Es gibt Menschen, die Dinge einfach ohne großes Aufhebens durchziehen und dann gibt es mich: Ich töne bereits Wochen vor Projektstart ungefragt herum, male das Ergebnis bereits in den buntesten und schillerndsten Farben und vernachlässige den Weg dahin völlig. Ob ich die Wochen davor möglicherweise einige Dinge gehamstert hab? Vielleicht. Aber die Cowboystiefel haben nicht nur Mama, sondern auch Sale gesagt und ich habe bereits einige Komplimente dafür eingeheimst. Den Kommentar meines Papas (“Luise, du hast hoffentlich Geld dafür bekommen, dass du die in der Öffentlichkeit trägst.”) beziehe ich nicht in die Gesamtwertung ein. Es ging also los und es war: Unfassbar unspektakulär.

Zur Lieblingsdrogerie, in der ich nicht nur Geld lassen, sondern auch Mensch sein darf, zu gehen ohne den 72987582sten Lippenstift zu kaufen? Easy. Für die Arbeit vorkochen und jeden Tag eine Tupperdose mitnehmen? Anstrengend, denn ich habe ja zu Küchenaktivitäten, die über das Öffnen einer Flasche Wein hinausgehen, ein recht gespaltenes Verhältnis. Aber endlich weiß ich wie lecker Rosenkohl ist und habe meine vegetarische Bolognese perfektioniert. Dass ich seit einem Monat entweder das eine oder aber das andere esse, verrate ich jetzt mal niemandem. Das Basislevel absolvierte ich so spielend, so dass ich fast enttäuscht war und fand, dass es in der zweiten Woche an der Zeit für ein bisschen additional Challenge sei: Ikea. Bei mir kostet das “Ich brauche gar nichts”-Paket bei Ikea immer 80 €, exklusive Köttbullar, Mandeltarte, und Abschluss-Hotdog. Doch diesmal: Nichts, nothing und sogar rien. Meine Archillesferse bei den Schweden ist die Kuscheltierabteilung, wer hätte das gedacht. Seit langer Zeit schleiche ich um den Kuschelhai herum, meistens umarme ich ihn kurz, manchmal auch lang, lege ihn schließlich zurück zu seinen Freunden und sage streng: “Nein, Luise, es reicht.” Meistens ist es meine Schwester, die das sagt, aber was macht das schon? Diesmal würdigte ich dem plüschigen und somit auch emotionalen Haifischbecken nur einen flüchtigen Seitenblick.

 

Die haben sich bestimmt ganz schön gewundert, die armen Mäuse. Was mich tatsächlich ein bisschen fassungslos zurücklässt, war nicht etwa, dass ich sogar bei den Duftkerzen eisern geblieben bin und wirklich rein nichts gekauft habe, sondern dass sich danach weder Fernsehen, noch Zeitungen bei mir gemeldet haben, um über mich und meine Willensstärke zu berichten. Come on guys, Ikea! Das war schon enttäuschend. Eine Woche später schnürte ich den Gürtel noch enger und verbrachte den Samstag in einer Stadt, die für ihre spärlichen Einkaufsmöglichkeiten und eher schlichtes Understatement bekannt ist: Düsseldorf. Ich fuhr also in den Vorort der Konsumhölle und entdeckte einen Laden, der all die schönen Versuchungen in Form von bestickten Bomberjacken, bunten Haarreifen, fancy Geschirr und wallenden Kleidern unter einem Dach beherbergte.

Freundin A. bot mir sogar an noch ein kleines Geburtstagsgeschenk zu kaufen und, dass ein kleines Mitbringsel doch nicht so schlimm sei. Ich lehnte dankend ab, denn Erinnerungen behält man ja im Herzen, hab ich mal gelernt. Ich wünschte, ich hätte noch mehr gelernt. Ich wünschte, ich hätte beim Aussortieren meines Kleiderschrankes irgendeine andere Erkenntnis gewonnen, als dass sich in meiner Garderobe längst nicht mehr so viele Fehlkäufe und “Ach, das nehm ich einfach mal mit”-Teile verstecken wie noch vor ein paar Jahren. Eine Mini-Capsule-Kollektion ist es trotzdem nicht geworden, eher eine Midi-Variante. Ich wünschte, dass es ein erhabeneres Gefühl gewesen wäre, all die virtuellen Warenkörben wegzuwischen, dass mir tatsächlich irgendwas fehlen würde, dass ich den Verzicht auch tatsächlich spüren würde. Vielleicht ist ein Monat zu kurz, um irgendwas zu vermissen, sagt die liebste A. während wir nach der besten Wand für Fotos Ausschau halten und vielleicht hat sie damit sehr recht.

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