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1 Kommentar

Meine Eltern sind Landwirte. Meine Großeltern väterlicherseits waren Landwirte. Die Großeltern meines Vaters waren ebenfalls Landwirte. Meine liebe Oma betonte hier und dort gerne, dass man unsere familiäre Linie quasi zurück bis zum Urknall rückverfolgen könne. Es lässt sich also in beruflicher Hinsicht eine gewisse Stringenz erkennen. Rückwärts, wie vorwärts, denn auch mein Cousin und meine Schwester haben den beruflichen Feldweg eingeschlagen. Ich will sagen: Der überwiegende Großteil meiner Familie verdient ihr Geld damit, Pflanzen am Leben zu halten und diese dann zu veräußern. Ich habe aus guten Gründen eine andere berufliche Laufbahn eingeschlagen, denn ich bin der Tod für fast jede Pflanze. Das Grünzeug, das bei mir einzieht, muss schon eine große Portion Lebenswillen mitbringen, um nicht innerhalb kürzester Zeit das Zeitliche zu segnen. Obwohl auch Lebenswillen alleine nicht ausreicht, da will ich ganz ehrlich sein und meine zwei Affenbrotbäume nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen. Die waren nämlich ziemlich zäh und irgendwann leider auch sehr hässlich. Fast so als hätten sie sich nicht nur der Photosynthese verschrieben, sondern auch ihren Kameraden, die sie im Laufe der Zeit verloren haben. Als wollten sie sagen: “Wir halten durch, für alle Pflanzen die du niedergestreckt hast. Uns bringst du nicht zu Fall.” So ein Mahnmal der eigenen Unzulänglichkeit will man ja dann aber auch nicht permanent angucken müssen. Also mussten sie leider gehen. Man darf sich einfach auch nicht alles bieten lassen. Sorry.

Das eine ist ja, sich von den eigenen Pflanzen zu trennen, weil diese einfach viel zu crunchy geworden sind. Die Sache wird aber noch ein bisschen delikater, wenn es sich um Schützlinge handelt, die von leichtsinnigen Freunden in meine Obhut gegeben wurden. Wie zuletzt. Es waren vier Pflanzen und schon beim Abgeben beteuerte M., dass es wirklich nicht so schlimm sei, wenn nicht alle überlebten, da sie ja eh gestorben wären, weil sie sich die nächsten fünf Wochen nicht kümmern könnte. Die Latte der Erwartungen hing also schon von Anfang an recht tief. Das spornte mich natürlich an. In meiner Vorstellung würde M. eine Sackkarre mitbringen müssen, um die Pflanzen wieder nach Hause befördern zu können. Kam leider ein bisschen anders, denn wir haben innerhalb kürzester Zeit leider Einbußen von 75 % der Truppe verzeichnen müssen. Wie sich das auf unsere Freundschaft auswirken wird, bleibt noch abzuwarten. Es hat mir aber schon weh getan, die hoffnungsvolle Frage nach dem Befinden der floralen Pflegekinder mit einer eher geflüsterten Beichte (“Also der einen Pflanze geht es prächtig, die anderen sind nun an einem besseren Ort.”) beantworten zu müssen. Geschenke erwarte ich mal lieber nicht. Zum Glück hat sich mein Ruf aber schon rumgesprochen, so dass ich in Zukunft keine weiteren Pflanzengäste erwarte.

Obwohl ich zu meiner Verteidigung gerne mein neuerliches Bemühen ins argumentative Feld führen möchte. Ich habe nämlich Besserung gelobt und so läutete ich die diesjährige Balkonsaison mit einem ambitionierten Besuch im Pflanzenmarkt ein. Natürlich unter fachkundiger Aufsicht. Sogar Pflanzendünger fand den Weg in meinen Korb. Denn selbst ich weiß seit kurzer Zeit, dass selbst Pflanzen Luft und Liebe langfristig nicht ausreicht. Fast jede Position meines Kassenbons erfreut sich heute noch am Leben. Und wenn jemand mal schwächelt, konsultiere ich meistens A., die mir dann mit hilfreichen Tipps zur Seite steht. Man muss nämlich das knusprige Gestrüpp abschneiden und Lavendel braucht viel Wasser. Gern geschehen. Als sich das Blütenkleid meiner Hortensie, sie heißt Helmut, plötzlich grün färbte, diagnostizierte Google Eisenmangel. Also habe ich ihm einer Eisenkur unterzogen, hat nur leider nicht wirklich geholfen. Aber ich gebe dich nicht auf, Helmut. Hörst du? Auch wenn wir irgendwann feststellen, dass dich nur eine Delfintherapie retten kann. Wir schaffen das. Mama ist ja da. Neuerdings genießen nicht nur die todgeweihten Pflanzen meine Aufmerksamkeit, denn Vorsorge ist besser als Nachsicht, oder so ähnlich. Heute habe ich auf Anraten von A. allen grünen Mitbewohner_innen einen Wellnesstag gegönnt. Habe ihnen ein nettes Bad eingelassen und schöne Entspannung gewünscht. Nur Helmut konnte nicht mit, weil er in seinem Übertopf festklemmt. Irgendwas ist ja doch immer, wenn man Kinder hat, nicht wahr? Ob dieses Engagement nun der Beweis für die Wende im Fall “Luise gegen Flora” ist, bleibt abzuwarten, denn vielleicht ist es auch nur Startschuss zur absoluten Kautzigkeit meinerseits, denn ich habe heute morgen auch erstmals ein Brot selbst gebacken. Wir werden sehen.

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Kommentare

  1. M M sagt:

    Luise…wie schön☺️ Ich freue mich auch über die eine Pflanze, welche überlebt hat und sich bei dir sogar sehr wohl fühlt und sich ganz prächtig entwickelt unter deiner Obhut. Das dahinscheiden der anderen Pflanzen kann unserer Freundschaft nichts abhaben?

    Grüße, M.