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Trommelwirbel, bitte! Denn es folgt eine wichtige Ankündigung: Ich bin nun erwachsen. Das mag zunächst verwunderlich klingen, da ich sehenden Auges auf meinen 35. Geburtstag zu steuere, mir nur noch selten bis gar nicht Appetithappen an irgendwelchen Theken angeboten werden und man mich bereits seit Längerem nicht mehr im Småland bei IKEA abgeben kann. Aber seit dem 28. September erfülle ich, außer den gängigen Parametern, nun auch meine eigenen Kriterien für das Erwachsensein. Diese lauten: Abfalltrennsystem und Topfkarussell. Ich habe nun beides und vielleicht verwechsle ich an der Stelle auch Erwachsensein mit Spießigkeit. Aber irgendwie geht das ja auch unweigerlich ein bisschen Hand in Hand. Und alle, die das nicht wahrhaben wollen und schreien, „Nee, ich bin nicht spießig, ich hab mir einen VW Bus ausgebaut”, lege ich liebevoll die Hand auf die Schulter und flüstere voller Respekt: „Ihr seid die Schlimmsten.”

Da ich in meiner Therapie gelernt habe, alles wertfrei anzunehmen, lasse ich mein “neues Ich” einfach mal machen und es macht ziemlich viel. Aber von Anfang an: Ich habe mich nach Jahren des Kopfanstoßens und Ärgerns über zu wenig Stauraum von meiner Rumpelküche verabschiedet und erstmals in meinem Leben eine Küche planen lassen. Das ging recht flott, da ich ziemlich genaue Vorstellungen hatte: Abfalltrennsystem und Topfkarussell. Beides wurde zusammen mit allerhand schmückendem Beiwerk geliefert und aufgrund meiner handwerklichen Inkompetenz, gepaart mit absoluter Ungeduld, auch montiert. Seitdem ist nichts mehr, wie es einmal war. Ich bin ein neuer Mensch! Luise reloaded. Mein „erwachsenes und eine Hochglanzküche besitzendes Ich“ sorgt bisweilen für viel Verwunderung. Vor allem: Bei mir.

„Da ich in meiner Therapie gelernt habe, alles wertfrei anzunehmen, lasse ich mein “neues Ich” einfach mal machen und es macht ziemlich viel.“

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Die Töpfe haben, dank Karussell, den Spaß ihres Lebens, und ich fühle mich sehr erhaben, da ich den Müll nun so trenne, wie es mein Papa mir beigebracht hat. Es scheint, als hätte es nur ein paar beschichtete Pressspanplatten, einen Induktionsherd und eine Gefrierkombination gebraucht, um mich zur absoluten Spießerin, äh sorry, Erwachsenen werden zu lassen. Seit Ende September bin ich eine Person, die ihre Smoothies portionsweise vorbereitet und einfriert. Dass ich dafür noch keine wiederverwendbaren Gefrierbeutel verwende, ist mir fast peinlich. Meine Schubladen sind mit bunten Kisten ausgestattet, damit sich meine Aufbewahrungsdosen nicht wild mit den Deckeln zu einem verrückten Chaos mischen, denn die treiben es ja mitunter ziemlich bunt. Damit ist jetzt Schluss, denn ich führe nun einen geordneten Haushalt, in dem die Müllbeutel nach Zitrone duften.

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„In meinem Kühlschrank wohnt jetzt mehr als nur Licht und eine Gesichtsmaske.“

In meinem Kühlschrank wohnt jetzt mehr als nur Licht und eine Gesichtsmaske. Auch, wenn ich in Sachen Bevorratung, weder den Vorgaben des Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe genüge, noch an die Standards meiner Mama heranreiche, so kann ich aus dem Stehgreif ein warmes Gericht kochen, das nicht nur aus Nudeln mit Pesto besteht – sogar ein paar Pancakes kann ich zusammen panschen. Letztens habe ich mich dabei erwischt, wie ich mir von meinen Eltern zum Geburtstag einen Messerblock gewünscht habe. Danach musste ich den Kopf doch ein bisschen über mich selbst schütteln. Ich bin in Besitz eines verdammten Nicer-Dicers und freue mich viel zu sehr über die einheitliche Größe der Gemüsewürfel, die ich mit dieser Wunderwaffe erziele. Denn je kleiner die Gemüsewürfelchen, desto sämiger wird meine Bolognese.

Ich bin eine Person geworden, die Lorbeerblätter im Haus hat und die Gurkenschalen nicht etwa in den Biomüll schmeißt, sondern daraus einen Sud für ihre Grünpflanzen herstellt. Von der Siebträgermaschine, dem Regenwurmhotel bis zur Kompostherstellung bin ich vermutlich nur noch wenige Wochen, respektive Lohnzahlungen, entfernt. Vorletztes Wochenende hatte ich zum Abendessen geladen. So richtig mit Kerzenschein, Geschirr inklusive Goldrand und Essen mit mehreren Komponenten. Meine Freundinnen kamen zu spät und ich erwischte mich dabei, mich und meine grünen Bohnen zu bemitleiden, da letztere nun in der Pfanne schrumpelten. Einzig die Eingebung, dass vegetarisches Gulasch nicht zerfallen kann, tröstete mich. Ebenso wie das folgende Lob über meine Kochkünste, denn das ist doch das schönste für uns Hausfrauen. Pfui, Luise.

„Von der Siebträgermaschine, dem Regenwurmhotel bis zur Kompostherstellung bin ich vermutlich nur noch wenige Wochen, respektive Lohnzahlungen, entfernt.“

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„Vielleicht sollte ich mir morgen mal wieder eine “Pizza Pasta” gönnen und diese in der Badewanne essen.“

Heute habe ich mir Salat gemacht. Salat als Abendessen. Wer mich kennt, weiß wie ich zu Salat stehe. Als wäre das nicht genug, habe ich diesen mit einem Salat Topping bestreut. Da waren sogar kleine, rote Pfefferkügelchen drin. Ich konnte mich gerade noch so zusammenreißen, nicht noch ein paar Nüsse zu karamellisieren für den extra Crunch. Dass ich danach eine ganze Packung weihnachtlicher Knisterschokolade inhaliert hab, gab mir dann doch Hoffnung, dass ich die Verbindung zu meinem “alten Ich” noch nicht komplett verloren habe. Vielleicht sollte ich mir morgen mal wieder eine “Pizza Pasta” gönnen und diese in der Badewanne essen.

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