„Wenn es ruhiger wird und das Jahr 2021 hinter uns liegt, dann gönnen wir uns eine Auszeit“, höre ich uns noch sagen. Seit diesem Satz sind viele Monate vergangen, mehr als wir eigentlich geplant hatten – doch die Reise steht! Nach knapp anderthalb Tagen – und zahlreichen Komplikationen auf unserer stürmischen Zugreise, die mit „Zeynep“ und „Antonia“ ungeahnte Ausmaße erreicht – blicken wir auf das nordfriesische St. Peter-Ording. Oder auf das, was zu später Stunde davon zu erkennen ist. Alles verschwimmt hinter der Frontscheibe und den unaufhörlichen Bewegungen des Scheibenwischers. Für die nächsten Tage verschreiben wir uns täglichen Yoga-Einheiten, langen Strandspaziergängen, um die 12.000 Schritte zu erreichen, langen Saunagängen und ausgiebigen Frühstückssessions – ja, man könnte auch an dieser Stelle das Wort „Retreat“ fallen lassen. Wir genießen die Ruhe, während wir auf dem warmen Holzboden liegen und dem Rauschen der Kiefern lauschen. Die letzten Sturmböen fliegen nur so über das flache Land. Es brauchte eine Nacht und ein paar Stunden, um vollends anzukommen und das Allgegenwärtige der vergangenen Wochen für das Erste auszublenden. Die letzten Meter zum offenen Meer laufen wir immer schneller und stapfen fröhlich durchs Watt. Die Faszination für Ebbe und Flut hat uns sofort in ihren Bann gezogen. „Warum sind die Gezeiten besonders in der Nordsee so stark?“, fragen wir uns und vertagen die Antwort auf den Abend. „Die Sendung mit der Maus“ wird es uns sicherlich erklären können. Das familiengeführte „Kubatzki“ in St. Peter-Ording ist nur knapp anderthalb Stunden von Hamburg entfernt und spezialisiert auf hervorragendes Essen, eine gemütliche Saunalandschaft, Flanieren im Bademantel und unterschiedliche Yoga-Sessions, die in den Tag integriert werden können.
Wir greifen abends in die Snack-Schublade, lassen den Aperol am Strand in der Sonne glitzern, verbingen unsere Abende bei Rotwein und „Queer Eye“ auf der Couch und gönnen uns nach einem reichhaltigen Menü ein Dessert am letzten Abend. Alles wirkt unaufgezwungen und ganz gemütlich. Unser Ziel „vom Nichts tun, müde zu werden“, erreichen wir ziemlich schnell. Am vorletzten Morgen kitzelt uns die Sonne im Gesicht aus den Betten. Wir atmen die frische, kühle Seeluft tief ein. „Könnt ihr das Salz schon schmecken?“, rufe ich laut während wir durch kleine Trampelpfade am Wasser entlang laufen. Wie schön die Nähe zum Meer doch ist, bemerken wir zufrieden und schauen auf die glitzernde Nordsee am Horizont. Die Ruhe färbt endlich auf uns ab. Der Muskelkater weicht langsam und nach einem kleinen Franzbrötchen in Hamburg sind wir bereit für den Weg nach Hause. In diesem Moment wird es still und ich bin zum ersten Mal in dieser Woche allein mit meinen Gedanken. Mit einem ungläubigen Kopfschütteln lese ich die Nachrichten, blicke auf schmerzvolle Bilder und kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Wo fängt man an, wo hört man auf? Als Optimistin durch und durch fällt mir diesmal nicht viel ein. Mit Mühe muss ich die Tränen zurückhalten. Mein ganzes Mitgefühl gilt den Menschen in der Ukraine und denen, die von einer Sekunde auf die andere alles im Krieg verloren haben – dessen wir uns wie selbstverständlich sicher fühlen. Nie wieder Krieg – egal, wann und wo! Alles wird sich in diesen Tagen ändern. Außer meiner Einstellung dazu Mensch zu sein, das Gute siegen zu lassen, die schönen Dinge im Leben mehr als einmal festzuhalten und denen, die es brauchen meine Hilfe und meinen Support anzubieten. Denn trotz aller Grausamkeiten passieren noch immer gute Dinge, die es Wert sind, darüber zu sprechen, die uns im Wesen erhalten, die uns miteinander verbinden, die uns stolz machen, die Freundlichkeit und Wärme ausstrahlen. @annabellesagt, @freitagabeins_magazin und @werideleipzig sind solche Liebeserklärungen an unser/mein Wirken im kleinen Kosmos. Jede*r kann helfen. Wie es weitergeht? Das kann wohl niemand so genau sagen…
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