Kürzlich wurde mir ein Meme in meinen Feed gespült. Eigentlich besteht dieser sowieso nur aus Memes, Reels von süßen Tieren und Ru Pauls Drag Race. Im Grunde genommen ist dieses Ereignis also wirklich nicht besonderes, vor allem wenn man sich meine Verweildauer in besagter App mal genauer betrachtet, aber das mache ich nie, denn dann denke ich unweigerlich auch darüber nach, was ich mit dieser Zeit sinnvolles hätte anstellen können und dann werde ich oft sehr traurig. Zurück zum besagten Meme: Es zeigt eine Frau, die über das Älterwerden sinniert und darüber entweder ihre Ansprüche zu senken oder sich dem Schicksal als crazy Cat Lady zu fügen. Mein erster Impuls ist “go for the cats” zu rufen, obwohl ich Katzen eher so – naja finde, außer meinen Kater Steven, aber der ist auch aus fusselfreiem Porzellan gefertigt. Nun wird mich die Meme-Lady aber nicht hören, das wissen wir alle. Dennoch brachte sie mich zum Nachdenken, wie ich so Sonntags mit meiner Tasse Kaffee im Bett saß. Vielleicht gar nicht so sehr darüber, meine Ansprüche zu senken, denn was kann bitte so schwer daran sein, einen Mann zu finden, dem eine Beziehung auf Augenhöhe keine Angst macht, der zu Nähe fähig ist, aber auch Freiraum schätzt, der seine Bedürfnisse äußern kann und die Päckchen, die er so mit sich rumträgt zumindest mal angeschaut hat? Ganz genau. Da musste ich selbst auch mal ganz kurz in meinen Kaffee lachen und überlegte, wie ich das also anstellen sollte mit meiner nicht besonders ausgeprägten Liebe zu Katzen, wenn mir eben nur dieses Schicksal übrig bliebe. Keine der beiden Seiten der Medaille kam mir besonders schillernd vor.
„Ein sattes, klatschendes Geräusch riss mich schließlich aus meinen Gedanken, um mich daran zu erinnern, dass ich bereits seit Wochen ein Leben als crazy Cat Lady führte…“
Ein sattes, klatschendes Geräusch riss mich schließlich aus meinen Gedanken, um mich daran zu erinnern, dass ich bereits seit Wochen ein Leben als crazy Cat Lady führte, allerdings mit einem gefiederten Substitut namens Passer domesticus, auch bekannt als Spatz, der soeben gegen meine Balkontür geflogen war. Bestimmt wollte der Kamikaze-Spatz aber eigentlich nur darauf hinweisen, dass ich spät mit der Zubereitung des Frühstücks sei, also nicht für mich, sondern für die Vogel-Crew, die seit Wochen meinen Balkon belagerte. Wie es dazu kommen konnte? Es fing alles mit der Pensionierung meines Onkels an. Wäre ich damals beim Sportfest so weit gesprungen, wie thematisch in dieser Kolumne, hätte ich nicht immer nur eine Bescheinigung über meine Teilnahme mit nach Hause gebracht, so viel ist sicher. Mein Onkel begab sich also in den wohlverdienten Ruhestand und da er immer ein sehr beschäftigter Mann war, zudem handwerklich sehr geschickt, fing er an Vogelhäuser zu bauen. Terrasse, Beleuchtung, richtige Dachschindeln, kleine Gartenzäune – an alles wurde gedacht. Ich selbst besitze zwei solcher Luxus-Immobilien, die meinen Balkon verschönern. Da ich diese nicht bloß als Spekulationsobjekte sehe und mir eine freundliche Hausgemeinschaft am Herzen liegt, dachte ich mir, ein wenig Vogelfutter könne nicht schaden.
Das habe ich nämlich von den Immobilienmarkler*innen in unzähligen Filmen und Serien gelernt: ein paar Cookies backen und zack, ist die Immobilie vermietet. Was soll ich sagen: es funktioniert. Viel zu gut, leider. Erst traute sich immer nur ein Spatz auf die Terrasse des Häuschens und pickte schüchtern in den Körnern. Das fand ich einfach bezaubernd und schob meine Begeisterung auf meine Kindheit auf dem Bauernhof. Wie sich die Sache dann zu einem urbanen Naturspektakel mit bis zu 20 Piepmätzen, die sich Sonntags um halb acht lautstark ums Futter prügeln verselbstständigt hat, kann ich nicht so richtig sagen. Lag es daran, dass ich den Drogeriemarkt meines Vertrauens leer gekauft hab, um den Strom an leicht zugänglichen Futter bloß niemals abreißen zu lassen? Vielleicht. Habe ich überlegt auch mal Lebendfutter wie Würmer anzubieten, damit die kleinen Mäuse auch mal eine leckere Kleinigkeit für das heimische Nest mitnehmen können? Unbedingt, obwohl ich diesen Gedanken verwarf. Allerdings nur, weil den Schätzen schon das hochwertige Premiumfutter nicht zugesagt hat.
„Irgendwann verwarf ich den romantischen Gedanken, dass ich je wie eine Disney-Prinzessin morgens von Spatzen geweckt und in wunderschöne Kleider gehüllt zu werden…“
In „Terms of Shit“ ähnelte mein Balkon langsam, aber sicher dem Markusplatz in Venedig, bevor dort das Taubenfüttern verboten wurde. Obwohl es eigentlich noch viel schlimmer war, denn ich hatte bloß Dreck, aber keine hübschen Italiener oder singende Gondoliere und niemand schien sich für meine Aperol-Bestellungen zu interessieren. Irgendwann verwarf ich den romantischen Gedanken, dass ich je wie eine Disney-Prinzessin morgens von Spatzen geweckt und in wunderschöne Kleider gehüllt zu werden, denn ich musste mich immer noch entweder hinter der Gardine verstecken oder aber bewegungslos hinter der Balkontür stehen, um an der Spatzen-Party teilnehmen zu dürfen. Ich fühlte mich ausgeschlossen und stellte fest, dass Voyeurismus definitiv „not type of kink“ ist. Nach jeder Putzaktion, mit der ich mir meinen Balkon zurückeroberte, schwor ich mir, dass nun Schluss sei. Kein Futter mehr, keine Spatzen, keine crazy Bird Lady. Nur mein Balkon, meine dahinsiechenden Pflanzen und ich. Darauf ein Schluck Wein. Mein Blick wanderte über meinen sauberen Balkon und entdeckte diesen einen besonders schüchternen Spatz auf dem Giebel des Vogelhäuschens. Er schaute mich fragend, vielleicht auch ein bisschen zweifelnd an. Seinem Blick nach zu urteilen, weiß auch die Spatzen-Community, um mein Unvermögen Schlussstriche zu ziehen und das kann nur eins bedeuten: sie lesen meine Kolumne – wie schön.
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