Es ist Mitte Mai und wir können unser Glück noch immer nicht fassen. Während wir eigentlich zwischen Arbeitstaumel und anhaltendem Redaktionsschluss die Tage verstreichen lassen, rückt ein wichtiges Datum immer näher. Ja, es ist auch zeitgleich Freitag, der 13. Anstatt dieser Zahl viel Bedeutung zu schenken, packe ich meinen Koffer – es ist der erste längere Urlaub in diesem Jahr. Bereits morgen 5 Uhr werde ich vor meiner Haustür abgeholt und hoffe, dass der Reißverschluss meines Koffers für die nächsten zwölf Stunden hält. Schließlich sorgt er bereits für den ersten Wachmacher am Morgen. Ich sage mir immer wieder, dass es nichts mit dieser Zahl zu tun hat und lenke mich ab. So zeitig und entspannt wie an diesem Morgen bin ich noch nie am Leipziger Hauptbahnhof angekommen. Ich genieße die Ruhe sehr und blicke in Richtung Sonnenaufgang. In knapp zehn Stunden erreiche ich mein Ziel: Bologna!
Der Umstieg am Hauptbahnhof in München funktioniert reibungslos und ich sitze nach weniger Zeit im Eurocity auf dem Weg nach Norditalien. Ich erinnere mich an die Reise mit A. im Jahr 2014. Die Abteile des Reisezuges wurden für uns zum Nachtzug. In den unbequemsten Positionen gelangen wir über Nacht nach Venedig. Doch die Lagunenstadt ist diesmal nicht mein Ziel. Während der Zug lautstark durch die Tunnel am Brenner rattert, schließt sich unser Abteil von vier Personen erstmals zusammen. Wir alle lächeln, als vor uns sequenzartig die Alpenlandschaft auftaucht und wir Kühe auf den grünen Höhenlagen entdecken. Nur für einen kurzen Moment. Dann wird es dunkel und wir verschwinden im Tunnel. Es regnet als wir wieder auftauchen. Ich glaube, dass ich mich irre aber tatsächlich rieche ich den frischen Regen und die kühle Bergluft durch den klapprigen Zug. Zur Sicherheit atme ich erneut an. Ja, es riecht nach Regen. Doch nicht mehr lang – die italienische Hitze liegt spätestens nach dem Stopp in Bonzen in der Luft. Die Snacks sind leer. Der Hintern tut langsam weh und ich tausche meine festen Schuhe gegen Birkenstocks. Pünktlich um 16.00 Uhr setze ich die ersten Schritte auf den glühenden, italienischen Boden. Am Hauptbahnhof wimmelt es nur so vor Menschen, Hinweisschildern und langen Gängen. Nur noch wenige Minuten trennen mich vom Rest der Gruppe, die bereits am „Kiss & Ride“ Parkplatz auf mich warten. Kurze Verwirrrung – denn der Hauptbahnhof ist wirklich groß aber wir finden uns endlich.
[Empfehlung: Eurocity von Leipzig Hbf. 05.48 Uhr – Bologna Centrale 16.19 Uhr, 10h 31min, 1 Umstieg]
Dank Fahrer Cristiano brausen wir mit unserem Shuttle von Bologna nach Chianti bis wir im Feierabendverkehr stecken bleiben. Nach mehr als zehn Stunden unterwegs fühlen wir uns so langsam klebrig und fächern uns Luft entgegen. Die letzten Snacks verteilen wir untereinander und fiebern dem Gedanken an unsere Ankunft entgegen. Nach endlosen kleinen Kurven erreichen wir jubelnd die Villa Massi in Celle und können unser Glück kaum glauben. Vor uns liegen die sanften Hänge der Chianti-Hügel im Abendlicht, am Pool winkt uns die Braut entgegen und die schmalen Zypressen türmen sich Richtung Himmel. In Italien steht das Wort „Agriturismo“ nicht für Bauernhöfe im klassischen Sinne, sondern für Amore, Sonne, Gemeinschaft, wunderschöne Grundstücke in der Natur und viel Wein. Die Fattoria Celle ist umgeben von Wäldern, Weinbergen und Olivenhainen, die „El Professore“ – wie wir ihn nennen – gemeinsam mit seinem Dackel Tag für Tag begutachtet und bewirtschaftet. Die Tage unter der heißen italienischen Sonne fliegen nur so an uns vorbei. Sie sind erfüllt mit Lachen, Sonnenbränden, Tänzen, lauen Sommernächten, plätschernden Geräuschen vom Pool, Spaziergängen mit der Bialetti, gemeinsamen Kochabenden und roter Tomatensauce im Mundwinkel. Nach dieser Woche zählen nur noch Hochzeiten, die in der Toskana mit Wein und Bolo zum Hochzeitsabend geschlossen wurden, keine Frage! Am letzten Abend vor unserer Weiterfahrt sitzen wir gemeinsam am Rande des Pools und blicken schweigend in den Sonnenuntergang bis die blaue Stunde einsetzt. Im Hintergrund läuft unsere eigens für den Hochzeitsabend zusammengestellte Playlist. Arcade Fire singen leisen. Es duftet nach Lavendel, den Kräutern hinter uns im Beet und warmer Abendluft. Es ist gerade mal Mitte Mai und duftet nach Hochsommer. Kann es eigentlich noch schöner werden, Toskana?
[Empfehlung: Agriturismo, Fattoria Celle „Villa Massi„]
Cristiano steht mit seinem schwarzen Bus bereit und belädt den Kofferraum mit unserem Gepäck. „El Professore“ winkt uns nochmal in sein Haus und zeigt uns seine hauseigene Olivenöl-Produktion. Unserer Bitte nach einer Probe für Zuhause kommt er nach und füllt uns ein Fläschchen ab. Mit einem Kuss auf die Wange verabschiedet er uns. Cristiano schaut bereits unglücklich drein, die nächsten Kund*innen warten auf seine Dienste – wir müssen weiter. Die Haare wirbeln während der Fahrt durch die Luft. Wir erhaschen einen letzten Blick auf die Hügel der Toskana. Wie unwirklich schön die vergangenen Tage einfach waren… Cristiano reißt uns aus unseren Gedanken als er uns kurz vor einem Tunnel fragt, ob wir zum Flughafen in Florenz wollen. Wir verneinen und er reißt das Steuer in Richtung Zentrum rum. Noch ist die Reise nicht vorbei! Zur Verabschiedung gibt er uns noch Tipps für belebte Plätze (Pizaza della Signoria it is!) und Cocktailabende in der Nähe von unserem Hotel. K. ist begeistert! Die Abwechslung vom italienischen Landgut zum Stadthotel kommt uns ganz gelegen, denn die Luft ist zum Schneiden dick und wir freuen uns über ein schattiges Plätzchen mit Blick auf die Via Palazzuolo. Wichtig: Sonnenschutz nicht vergessen!
[Empfehlung: 25hours Hotel Florence Piazza San Paolino]
Die Hauptstadt der Toskana und ihre Schätze der Renaissance erkunden sich doch nach einem kleinen Aperitif am besten. Ob wir schon wieder Lust auf einen Cocktail haben? Natürlich! Wir beginnen die Tour mit knusprigen Paninis und Hauswein bei „Bondi Le Focaccine“ – einem kleinen urigen Spot mit ehrlicher Küche, der von den Tourist*innen glücklicherweise oft übersehen wird. Danke S. für den Tipp! Direkt um die Ecke liegt die große Markthalle „Mercato Centrale“ – für frische Waren empfiehlt es sich früh am Tag zu kommen. Überhaupt lässt sich Florenz innerhalb von zwei bis drei Tagen angenehm zu Fuß erkunden. Innerhalb der nächsten Tage bekommen wir einen ziemlich guten Eindruck von „La Bella“. Wir streifen Vintage-Stores, kleine Eisläden, unzählige Trattorien, hübsche Cafés für einen Espresso an der Theke, prachtvolle Stadtgärten, Renaissance-Baukunst und beeindruckende Brücken, die über den Arno führen. A. entdeckt sogar entlang der „Lungarno Amerigo Vespucci“ eine neue Laufstrecke am Morgen für sich. Florenz zieht uns sofort in ihren Bann. Die historische Stadt der Medici, Päpste und Fürsten trifft auf „la dolce vita“ mit versteckten Bars auf Dachterrassen und in Buchhandlungen, Bäckereien, die mit Cannoli verführen, niemals schlafenden Straßenzügen bei Nacht, Wartezeiten, die mit einem Schluck Wein versüßt werden und einer sehr guten Trüffel-Pasta wie zum Beispiel in der Trattoria „Matto Matto“.
Wer in der Nähe des 1733 gegründeten „Café Gilli“ ist, sollte einen Blick riskieren aber den Kaffee lieber überspringen und stattdessen im benachbarten Kaufhaus auf die Dachterrasse für einen Drink ziehen. Verpasst auf keinen Fall einen Gang über die malerische Flussbrücke „Ponte Vecchio“ (oder schaut auf sie von der „Ponte Santa Trinita“), einen Spaziergang zur eleganten „Cattedrale di Santa Maria del Fiore“ (inklusive Besichtigung der Kuppel) oder einen ruhigen, schattigen Bummel durch den „Giardino Bardini“ sowie „Giardino di Boboli“. Von hier aus blicken wir über die Stadt und lassen uns ein kühles Lüftchen um die Nase wehen. Das tut gut! Das absolute Highlight unserer Florenz-Tour besuchen wir fast zufällig zum späten Nachmittag. Es gibt keine Wartezeiten und keine Schlange an den Besuchereingängen also entschließen wir uns kurzerhand für ein wenig Kunst. Die „Uffizien“ Galerie empfängt uns mit ihren Werken der Bildhauerei und Malerei. Sie beherbergt die wichtigste Kunstsammlung Italiens mit den Werken von da Vinci, Michelangelo und Raffael – ganz plötzlich stehen wir sprachlos vor dem Gemälde „Die Geburt der Venus“ von Sandro Botticelli. Wahnsinn! Damit haben wir wirklich nicht gerechnet, doch das ist das Schöne am sich treiben lassen. Wir schließen unsere Italienreise mit einer scharfen Salami-Pizza, einem Birra Moretti und einem Spaziergang durch die lauten Gassen am Abend ab. Ein letzter Cappuccino und die Koffer rollen zum Hauptbahnhof „Firenze Santa Maria Novella“. Wir werden dich vermissen, Florenz. Schon bald sitzen wir wieder im Eurocity nach München und verschwinden in den Tunneln der Alpen.
[Empfehlungen: Markhalle: Piazza del Mercato Centrale, Via dell’Ariento, Markhalle: Via dell’Ariento, 85/red, 50123 Firenze, Cannoli: Ginos Bakery (Via de‘ Guicciardini, 3/5, 50041 Firenze), Trüffel-Pasta: Matto Matto (Via Nazionale, 122r, 50123 Firenze), Rooftop Bar: Rinascente Firenze (Piazza della Repubblica, 4, 50123 Firenze), Bar: Konnubio (Via dei Conti, 8r, 50123 Firenze), Garten: Giardino di Boboli (Piazza de‘ Pitti, 1, 50125 Firenze), Brunnen: Fontana del Nettuno (P.za della Signoria, P.za della Signoria, 50122 Firenze)]
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