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„it is always nice to see you“ says the man behind the counter.

Schon in meinem persönlichen Lieblingsbuch “Der kleine Prinz” steht geschrieben, dass man Schlussstriche mit Edding und nicht etwa mit Bleistift zieht. Ich bin da ganz anders. Ich ziehe meine Schlussstriche eher mit einem Tintenkiller. Allerdings mit der weißen Seite – und selbst das auch nur ganz langsam. Wie ein roter Faden zieht sich dieser Spleen durch die verschiedensten Bereiche meines Lebens. Da ich aber eine Kolumne schreibe und kein mehrbändiges Lehr- und Nachschlagewerk, möchte ich mich thematisch auf die nicht-beziehungstechnischen Auswüchse dieser Charaktereigenschaft beschränken. Zweimal im Jahr wird mir diese zum textilen Verhängnis. Während sich andere Menschen beim Übergang von Winter- zu Sommermonaten freuen, sich wieder in luftig anmutende Textilien hüllen zu können, komme ich darauf nicht klar. Noch wochenlang hadere ich, ob es sinnvoll ist, das wärmende Unterhemd tatsächlich Zuhause zu lassen. Sieht man auf den Straßen bereits die ersten neuen Modelle aus dem Hause Birkenstock, ziehe ich es in Erwägung meine Doc Martens auch weiterhin zu tragen. Ohne Schal in Größe einer Picknickdecke das Haus verlassen und das bei Temperaturen an denen bei Eisverkäufern bereits der Rubel rollt? Schwierig. Die Tatsache, dass es keinen Frühling mehr gibt, macht das Ganze noch schlimmer. Es ist noch nicht so lange her, da hatte das wärmende Federbett bei mir noch Saison und die Wollsocken. Ich muss ja wohl nicht erwähnen, dass es sich bei der Sommer-Winter-Umstellung ähnlich verhält. Obgleich weniger dramatisch. Dazu liebe ich den Zwiebel-Look zu sehr.

Ich kann halt sehr schlecht Abschied nehmen. Nicht nur von jahreszeitlich festgelegten textilen Grundeinstellungen. Jobwechsel sind bisweilen auch mit einem gewissen Drama verbunden. Bei mir ist es nicht mit einer kurzen Sekt-und-Kuchen-Veranstaltung getan. Zumal mir meine thüringer Wurzeln es schlicht verbieten klein aufzutischen.  So habe ich beim Abschied vom ersten richtigen Job nach dem Studium eine Woche lang Abschied gefeiert. For real. Jeden einzelnen Tag gab es Schnittchen, Sekt und Kuchen. Und Kaffee. Wir waren am Ende alle so fertig, emotional und körperlich, dass meine Kolleginnen vermutlich froh waren, mich endlich los zu sein. Bei einem anderen Job war ich noch sehr lange Teil der internen Whatsapp-Gruppe. Bestimmt hat sich niemand getraut, mich rauszuschmeißen. Erst der Weggang einer anderen Kollegin, gefühlt ein Jahr später, hat mich auch dazu veranlasst, die Gruppe endlich zu verlassen.

Zu meiner Verteidigung muss ich aber anbringen, dass sich aus einigen meiner Büro-Leidensgenossenschaften wichtige Freundschaften entwickelt haben. Und was braucht ein zartes Pflänzchen namens Freundschaft damit es gut gedeiht? Zuwendung und Aufmerksamkeit. Quod erat demonstrandum, ihr Mäuse. Abschiede machen mich sprachlos. Ich kann mir vorher die Worte zurecht gelegt haben, feinsäuberlich und eloquent aneinander gereiht. Mein Hirn ist leer, sobald ich mich verabschieden muss. Als müsste mein Hirn ganz schnell mein heulendes Herz umarmen und hat daher leider keine Zeit diese schön vorbereiteten Sätze wiederzugeben. Für den nächsten Abschied habe ich mir schon vorgenommen, einen Brief zu schreiben und zu übergeben. Anstelle meiner Sprachlosigkeit. Dann können Hirn und Herz kuscheln und ich werde trotzdem alle Worte los. Könnte ich jetzt schon heulen.

Was aber schon viel besser geworden ist, ist das Aufheben von irgendwelchen Kinkerlitzchen und Klimbim in meiner Wohnung. Es geht zwar nicht minimalistisch zu in meinem Haushalt, aber es gab Zeiten, da habe ich wirklich vieles aufgehoben. Nicht so wirklich messimäßig, aber schon dies, das und jenes, gestopft in stets mittelgroße WG-Zimmer. Ich erinnere mich an einen Umzug, bei dem mir meine liebe Freundin A. beim Ausmisten half. Zu einer Zeit als noch niemand wusste, wer Marie Kondo ist, hielt sie einen Pappbecher hoch und sagte: “Luise, Erinnerungen behält man im Herzen.” und warf ihn weg. Auch die Geschichte, dass ich diesen Pappbecher als Umverpackung für einen Gutschein überreicht bekommen habe, interessierte sie recht wenig. Wie herzlos. Ich mag es einfach nicht gewohntes und liebgewonnenes nicht mehr um mich zu haben. Erinnerungen hat man im Herzen, my ass. Ich will keine Erinnerungen, ich will das Hier und Jetzt. Und zwar in schön und immerwährend. Aber ich weiß auch, dass das Leben so nicht funktioniert. Dass man sich von Dingen und Menschen verabschieden muss. Aus unterschiedlichen Gründen. Weil der Winter vorbei ist, weil man sich in einer lose-lose Situation befindet. Weil man mit Pappbechern nicht umzieht. Um aber die tatsächliche Ursache für den Tintenkiller statt dem Edding in meiner Hand herauszufinden, müsste ich mal tief und ehrlich in mich reinhören, aber kritische Selbstreflektion ist eine typisch winterliche Aktivität und ich trage grad ein leichtes Sommerkleid.

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