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das leipziger lifestyle magazin. ein hoch auf die kreativen dieser stadt!

i fall in and out of love every evening. yeah it’s something more than a memory.

Ich finde man sollte heutzutage auf vielerlei Dinge vorbereitet sein und ich spreche nicht von der obligatorischen Packung Mars-Eis im Tiefkühlfach, die gegen Liebeskummer, PMS und schlechte Laune hilft. Ich meine die elementaren Dinge des Lebens. Nein, nicht Altersvorsorge, sondern der Frage nach den drei Wünschen, die man bei jeder guten Fee so frei hat. Sollte es je soweit kommen, habe ich mir bereits eine relativ simple, aber wirksame Strategie zurechtgelegt und diese führt über den unspekatulären, aber effektiven Weg der Bescheidenheit. Weil ich nämlich nur einen einzigen Wunsch habe. So gewinne ich Sympathie, ist ja ganz klar, weil weniger Arbeit für die Fee. Die ist ja schließlich auch Arbeitnehmerin. Und dann kann ich diesen einen einzigen Wünsch auch noch ziemlich detailliert darlegen, da denkt die sicher: “Ok, ich machs ja schon. Hauptsache die Frau mit der Glatze hört auf zu reden.” Also Trommelwirbel und Vorhang auf: Mein einziger Wunsch, den ich mir je bei einer guten Fee wünschen würde, wäre mondän zu sein. Meine mondäne Inspiration ist Angelina Jolie als Agentin Elise Ward im Film “The Tourist”. Die Handlung kann ich nicht so richtig rekapitulieren, aber ich denke, dass ich mich, wäre ich mondän, genauso kleiden würde wie Elise. Schließlich hätte auch ich Elise, statt Luise heißen sollen. Kann ja fast kein Zufall sein, oder?! Meine Garderobe würde ebenfalls aus nude-beige-greige-cremefarbenen Kostümen bestehen und ich würde auf hohen Hacken anmutig durch mein Leben schweben. Vermutlich wäre ich auch sehr oft in Venedig, genau wie Elise im Film. Ob ich allerdings auch als Agentin arbeiten würde, weiß ich nicht so genau, denn ich stelle mir mein mondänes Leben irgendwie entschleunigter vor und da befürchte ich dann doch einen Konflikt.

Mein Tag sähe dann nämlich wie folgt aus: Morgens würde ich nicht etwa vom Wecker, sondern von den Sonnenstrahlen, die auf mein sehr ebenmäßiges Gesicht fallen, geweckt werden. In meinen seidenen Morgenmantel gehüllt, tragen mich meine perfekt pedikürten Füße in meine ebenfalls sonnendurchflutete und recht großzügige Küche. Dort bereite ich mir Kaffee zu, den ich mir in eine ganz feine Porzellantasse gieße und auf einem schweren Silbertablett serviere. Dieses stammt natürlich aus Familienbesitz und hat irgendeine Geschichte. Mein Frühstück besteht aus irgendetwas ganz Leichtem, denn zu schweres Essen beschwert auch meinen Geist und das entspricht einfach nicht meiner façon de vivre. Nach meinem petite déjeuner widme ich mich einer ausgiebiegen Session Medipiga, einer Mischung aus Meditation, Pilates und Yoga. Obgleich ich mich ohnehin stets in einem Zustand völliger Entspannung befinde, denn Stress und innere Unruhe sind mir fremd, bringt mich Medipiga noch näher zu meinem göttlichen Ich. Das mag ich. So ausgeruht, widme ich mich nun meinen vormittaglichen Aktivitäten. Dazu zählt natürlich auch Arbeit, denn ich bin schließlich nicht faul, sondern mondän und das bedeutet dem Duden zu Folge nach “eine extravagante Eleganz zur Schau tragen”. Das tue ich auch im Office. Zum einen durch meine bereits erwähnte stets exquisite Garderobe, aber auch durch meine Aura, die meinen Mitmenschen entgegenschlägt. Es ist eine Mischung aus absoluter Entspanntheit (Medipiga sei Dank), die man leicht als Entrücktheit missverstehen könnte und einem tiefen, fest verankertem Selbstverständnis, das fast an Übermut grenzt. Diese Melange führt dazu, dass ich in dem was ich tue sehr erfolgreich bin bzw. mich über jeden Zweifel von außen erhaben macht.

Was ich im Office allerdings so ganz genau mache, weiß ich nicht, denn ich arbeite ja nicht wirklich, weil ich das was ich tue wirklich so sehr liebe, dass es mir nicht wie Arbeit vorkommt. Sagt auch mein guter Freund Konfuzius und kann man sicher auch in Form von Wandtattoos in Meetingräumen irgendwelcher übermotivierter Startups nachlesen. Wenn ich also fertig bin mit der beruflichen Fabelhaftigkeit, ausreichend Dokumente mit der Tinte eines sehr schweren Füllfederhalters signiert habe, entschwinde ich, um mich Dingen zu widmen, die mir am Herzen liegen. Für meine Neffen und Nichten richte ich Teepartys aus, zu denen wir all ihre Kuscheltiere einladen. Mit richtigen Einladungen auf schwerem Papier gedruckt und wenn die Viecher nicht fristgerecht antworten, erhalten sie eben keinen Zutritt zu dieser exklusiven Veranstaltung. Pech gehabt, Teddy. Unseren Tee trinken wir aus erlesenem Porzellan, denn ich finde, dass man mit drei Jahren keinesfalls zu jung für Meißener Handwerkskunst ist. Später, in einem Alter, das die Eltern nie befürworten würden, schwenken wir dann auf Mimosas um, aber das bleibt unser Geheimnis.

Außerdem habe ich natürlich viel Ahnung von Kunst und bin daher ein gern gesehener Gast auf Vernissagen, Finissage und allem dazwischen. Flaniere ich nicht durch Galerien, so treffe ich mich selbstredend nicht etwa per Videocall zu Netflix-Partys, bei denen irgendein Trash konsumiert wird, sondern unterhalte stattdessen einen illustren Buchclub und veranstalte Soirées, an denen kleine Häppchen serviert werden und Konversationen, nicht etwa Gespräche, betrieben werden, die stets auf einer Metaebene angesiedelt ist. Klingt fast ein bisschen anstrengend, stell ich grade fest. Bis auf die Teepartys, die klingen toll. Abends sage ich nicht etwa “Ciao Kakao, muss Zähne putzen und dringend heiabutzi machen”, nein ich verkünde, dass es nun Zeit ist, mich zurückzuziehen und bedanke mich für den kurzweiligen Abend. Nach einer intensiven Gesichtsbehandlung mit Peelings, Cremes und Seren, bette ich mich und mein Haupt auf blütenweißer Bettwäsche und sinke direkt in einen tiefen Schlaf. Nie würde mir einfallen über den Tag nachzugrübeln, Entscheidungen in Frage zu stellen und mir Gedanken über den morgigen Tag zu machen. Augen zu und Kopf aus. Hach klingt das schön.

Was aber wenn die Fee nicht kommt und mein Wunsch nie in Erfüllung geht? Und ich morgens weiterhin erst nach dem fünften Wecker aufwache? Nicht auf Highheels laufen kann und kein elegantes Kostüm, das mir auf den Leib geschneidert ist, mein Eigen nenne? Dann müssen wohl die kleinen Momente des Mondänseins ausreichen. Der Kaffee am Sonntag aus der feinen Sammeltasse. Wenn N. sagt “Ey, dein Outfit ist heute mal wieder der Knaller.” Und die Aussicht auf die Teepartys mit Tante Elise.

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