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hip teens don’t wear blue jeans. ‚cause we’re cool cats. we got soul.

Ich erinnere mich ganz genau an sie: Dunkle Waschung, ausgestelltes Bein, komische Nähte und ein klitzekleiner Reißverschluss an den absurdesten Stellen. Als ich ungefähr 14 Jahre alt war, waren die drei Miss-Sixty-Jeans, die ich voller Stolz mein Eigen nennen konnte, meine liebsten Kleidungsstücke und zugleich mein textilgewordenes Kryptonit. Und auch, wenn ich jetzt ein bisschen late to the party bin, so habe ich den Schock über das Comeback der Hüftjeans noch nicht verwunden und wehre mich dagegen. Oder wie sagt man? Ich verurteile es aufs Schärfste. Zum einen, weil ich in der Öffentlichkeit zu oft mit „Sie” angesprochen werde und daher offiziell alt bin. Und zum anderen, weil ich es mag, wenn mein Bauch schön verpackt ist. Das mit dem Älterwerden stört mich im Übrigen überhaupt nicht. Ich bin wie Parmesan oder Rotwein – the older, the funnier und ich liebe es. Also zurück zur Hüftjeans. Wer mir jetzt erzählt, dass ja alles irgendwann wiederkommt: Beruhigt euch, denn ihr wisst nicht, wen ihr vor euch habt. Meine Mama zwang uns mit sieben Jahren, Birkenstock-Sandalen zu tragen und lacht sich heute darüber kaputt, dass meine Schwester und ich nun freiwillig viel zu viel Geld dafür ausgeben, um unseren Füßen einen schönen Sommer in einem angenehm geformten Korkbett zu bescheren.

„Ich bin wie Parmesan oder Rotwein – the older, the funnier und ich liebe es. Also zurück zur Hüftjeans.“

„Vermutlich hätte ich mir eine Hand abgehackt, um hervorstehende Hüftknochen zu haben.“

Die Hüftjeans ist für mich viel mehr als nur ein unfassbar unpraktisch sitzendes Kleidungsstück, denn es hat mein Körperbild jahrelang maßgeblich nicht zum Besten beeinflusst. Auch, wenn ich mich in ihnen unsagbar cool fühlte, so näherten sie all die merkwürdigen Komplexe, die in meinem Kopf herumgeisterten. Meine Jeans saßen nämlich leider nicht so toll, wie bei meiner Cousine. Der Grund war mir völlig klar: Es lag an meinen Hüftknochen, denn sie wollten sich einfach nicht deutlich abzeichnen. Vermutlich hätte ich mir eine Hand abgehackt, um hervorstehende Hüftknochen zu haben. Hab ich aber nicht, denn ich tippe diesen Text beidhändig. Was ich stattdessen gemacht habe, war eine Kohlsuppendiät. Mit 14 Jahren. Ich möchte Vergangenheits-Luise so gerne in den Arm nehmen und ihr sagen, dass es die Blähungen nicht wert sind und dass sie einfach zauberhaft ist. Als ich zwei Jahre später für mein Austauschjahr nach Frankreich gegangen bin, wurden wir direkt vorgewarnt, dass viele Austauschschüler*innen zunehmen. Das wäre völlig normal und gibt sich nach der Rückkehr auch wieder. Mein damaliger Freund kommentierte diese Nachricht mit der Warnung, dass mein Bauch nicht größer als meine Brüste werden dürften. Sonst hätten wir nämlich ein Problem. Wir haben keinen Kontakt mehr, aber ich weiß, dass nicht mein Bauch-Brust-Verhältnis, sondern vielmehr sein massiver Haarausfall zu einem Problem für ihn wurden. Karma, Baby.

„Lag es an Kate, die gesagt hat, dass nichts so gut schmeckt, wie sich dünn sein anfühlt? Oder später an Heidi? An Karl? An Naomi? Oder an Bridget?“

Irgendwann habe ich mich damit abgefunden, vermutlich nie hervorstehende Hüftknochen zu haben, aber nur um diesen Wunsch mit der Sehnsucht nach einer Lücke zwischen meinen Oberschenkeln, dem Tigh-Gap, abzulösen. Davon trennte ich mich leider erst kürzlich. Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der das Gewicht einer Frau für ganze drei Kinofilme reichte. Uns wurde weisgemacht, dass sie mit 63 Kilo deutlich zu viel wiegt und sie sich daher ständig Gedanken um ihren Körper machen muss. Ihr Name war Bridget Jones. Irgendwie schien damals niemand auf den Gedanken zu kommen, was das eigentlich für ein absoluter Blödsinn ist. Stattdessen zwängten wir uns weiter in Hosen, die wider jeglichen Komforts und menschlicher Anatomie waren. Und eine Schicht drunter ging das Drama ja noch weiter. Beim Anblick synthetischer Spitze in Form eines Tangas juckt es mir auch heute noch direkt am Po. Als ich mich mit meinen Freundinnen über das Thema austauschte, konnte jede von ihnen eine Geschichte zu ihrer Hüfthose erzählen. Manche waren lustig, manche waren besorgniserregend. Meine Cousine hat tatsächlich ein Foto von uns in unseren Miss-Sixty-Jeans gefunden. Ich schrieb ihr, dass ich damals dachte, ich sei dick. Wir waren jung, antwortete sie. Wieso haben wir uns das nur alles angetan? Lag es an Kate, die gesagt hat, dass nichts so gut schmeckt, wie sich dünn sein anfühlt? Oder später an Heidi? An Karl? An Naomi? Oder an Bridget? Ich weiß nicht genau, an wem es lag, aber ich weiß, dass weder ich noch meine Freundinnen mit Freude an die Zeit der Hüftjeans zurückdenken, weil sie bei uns allen mehr als nur Druckstellen und Nierenbeckenentzündungen hinterlassen hat.

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