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heartbreak multiplies. i’m on a different kind of high.

Seit Wochen wünsche ich in meinen Arbeitsmails eine besinnliche Weihnachtszeit. Und seit Wochen ist mir klar, dass ich in der letzten Kolumne des Jahres einen persönlichen Jahresrückblick schreibe. Meine Lobeshymne über ein Jahr, in dem ich so unfassbar viel erreicht habe. In dem ich über mich hinausgewachsen bin. Höher, schneller, weiter. Dies, das und jenes? Klar, schaff ich das auch noch. War sonst noch was? Ich freue mich über jeden Ball, den man mir zusätzlich zuwirft, um mir selbst zu zeigen wie toll ich doch jonglieren kann. Das kann ich mittlerweile richtig gut, ich Zirkuskind. Doch je mehr Dinge ich gekonnt und spielerisch durch die Luft schmeiße und mit einem Lächeln fange, desto weniger kann ich mich dafür feiern. Muss mich schließlich aufs Fangen und werfen konzentrieren. Und so wird das nichts mit der Lobeshymne.

Die kleine Luise beeindruckt das wenig, denn sie steht neben mir und fragt, wann wir mal wieder richtig spielen gehen. Auch bunte Farben machen To-Do Listen nicht weniger blöd, sagt sie. Sie guckt sich in der Wohnung um und fragt, wo denn die ganze Weihnachtsdeko bleibt und wieso die Adventskaffeetrinken, deren Veranstaltung ich mir jedes Jahr auf Neue vornehme, doch wieder nicht stattfinden. Sie fragt, wann wir endlich mal zur Ruhe kommen, mal stehen bleiben, die Lichter bestaunen und einfach nichts machen. Das hat uns früher schließlich mal viel Spaß gemacht. Ich erkläre dann, dass es aber so nicht läuft, dieses Erwachsensein. Dass es schließlich allen so geht. Dass man nicht vorankommt, wenn man sich nicht bewegt. Aber wo wollen wir denn überhaupt hin, fragt Klein-Luise. Und wieso müssen wir dabei so rasen, da kann man die Aussicht doch gar nicht genießen und außerdem würde ihr dabei schlecht. Ich schreie sie an, dass ich keine Zeit für solchen deep shit hab und hetze weiter. Von Woche zu Woche. Sitze nachts zuhause und bastel noch fix Fröbelsterne, weil die sich bestimmt toll im Schaufenster machen würden. Fange dabei an zu heulen, weil mir niemand gesagt hat, dass man einen Doktor in Architektur benötigt, um so einen blöden Stern zu falten.

Sitze im Bordbistro und schreibe geschäftig Mails. Als ich wieder den Wunsch einer besinnlichen Adventszeit tippe, stolpere ich darüber und spüre wie mein Kinn zittert und Tränen meine Augen fluten. Heulend im Bordbistro, toll Luise. Anderen nette Dinge wünschen und diese mir selbst aber nie zugestehen, kann ich besonders gut und so habe ich mich dieses Jahr schön um die Adventszeit betrogen. Habe stattdessen meinen inneren Grinch kultiviert. Weil ich für Lichter, Weihnachtslieder und Gedöns sowieso keine Zeit hab, weil ich ja so dringend weiter muss. Ich habe mich um all das betrogen, was mit Ruhe, Einkehr und dieser Besinnlichkeit zu tun hat, dabei bin ich gar kein Grinch. Warum also? Weil ich ein Angsthase bin, der gar nicht zur Ruhe kommen will. Der vor der Besinnlichkeit wegläuft so schnell die flauschigen Pfoten tragen, weil sie in meiner verqueren Definition bedeutet, mir genau die Fragen zu stellen deren Antworten mit Sicherheit unbequem sind und die richtig weh tun können. Aber vor allem weil ich immer nur auf das schaue, was fehlt. Immer nur meinen kleinen Makel sehen, nie mein Gesamtwerk. Also keine Lobeshymne, sondern knallharte Abrechnung, denn Reflektion bedeutet für mich immer Fehlersuche. Und so ziehe ich es vor, mich im Strudel vorweihnachtlicher Geschäftigkeit zu verlieren, anstatt mich meinem immer viel zu harten Urteil auszusetzen. Mal doch nicht alles so schwarz, vergiss mal die blöden Fragen und sei mal nicht so gemein zu uns, sagt Klein-Luise.

Guck dir doch viel lieber die schöne Weihnachtsdeko an, die wir geschenkt bekommen haben, anstatt dich zu ärgern, dass du es wieder nicht geschafft hast Karten zu verschicken. Freu dich über den schönen Türkranz, anstatt dich zu ärgern, dass der schon seit letztem Weihnachten 24/7 an unserer Tür hängt. Hau dir noch nen vierten Kloß rein und freu dich, dass du eine Schwester hast, die weiß wie man die perfekte Bratensoße herstellt, anstatt dich zu ärgern, dass Kochen bei uns immer nur Nudeln und Pesto bedeutet. Nimm all die lieben Worte an, die dir bei rosa Limonade erzählt werden, anstatt sie mit einer Handbewegung abzutun. Ist ja vielleicht doch gar nicht so schlimm, nur ungewohnt. Ziemlich schlau, dieses Kind.

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