Manchmal gibt es Tage, die mit keinen guten Neuigkeiten beginnen. An die man auch am Ende nicht mehr denken will. Dabei gibt es viel schönere Dinge, an die man sich stattdessen erinnern kann. Ich klicke durch die Foto-Ordner auf dem Desktop und denke mir: Stimmt, genau vor einem Monat waren wir in London. Die Motivation damals: Wenn du die Masterarbeit rechtzeitig abgibst, gönnst du dir den Trip nach London. Ok, Tickets buchen, bitte.
Tag 1. Samstag.
Große Aufregung am Flughafen in Leipzig. Rotkäppchen Sekt für 2€ kaufen, Flugzeuge beobachten, immer noch Spice Girls singen und schon mal Händchen halten. „Du, das ist irgendwie seit ganz langer Zeit der erste Urlaub…und ich bin ewig nicht mehr geflogen. Naja, seit Februar“. „Wir kriegen das hin“. Besser gesagt: Ryanair kriegt das hin. Ganz viele Sterne am Himmel. Kleine Lichter am Boden und wir verschwinden durch die Wolkendecke. „Ich liebe dieses Bauchkribbeln“. Ein angestrengter Blick „Ich gar nicht“. London Stansted Airport. Es regnet. Direkt mit den Koffern über das Rollfeld. „Gut, dass wir doch unsere dicken Winterjacken mitgenommen haben“. Wir sind keine fünf Minuten am Flughafen angekommen und lösen gleich den Alarm aus. Ein grinsender Blick zum Handy: „Rufst du an, um mir zu sagen, dass du eben den Alarm ausgelöst hast?“ „Ja und kannst du meinen Koffer mitbringen? Ich komm hier nicht mehr zurück“. Das Flugzeug aus Prag landet und wir sind zu dritt. „Hallo Annusch, wir sind viel zu früh gelandet. Das war ein super Flug. Wir sind gleich zu dritt unterwegs zu dir“. Dieses „gleich“ verzögert sich nur um drei Stunden. Auf der Google Maps-Karte sah der Weg auch gar nicht so weit aus. Wir ziehen unsere Koffer im Regen durch die Straßen des neuen Londoner Hipster-Viertels in Shoreditch und zählen die Hausnummern. Irgendwo hier muss gerade eine Mottoparty mit dem Thema „20er Jahre“ stattfinden. Mädchen, mit gepunkteten Kleidern, hochgesteckten Frisuren, dunklen Lippen und Petticoats lehnen betrunken an den Hauswänden. Die aufmerksamen Jungs in Uniform halten dabei auch gern die hohen Schuhe. Wir lachen. „Wie lustig. Es ist doch erst 1.00Uhr!“ Aber für die Londoner heißt das: In zwei Stunden schließt der Pub schon. Die Straßen werden ruhiger und wir stehen vor der roten Tür. Hoxton Street. „Hallo Annusch! Bist du noch wach?“ „Gerade so… ich bin schon dreimal eingeschlafen“. Vier Mädchen. Vier Tage. Eine Stadt. Und zur großen Freude nur eine XXL-Decke auf dem Doppelbett. Ein bisschen wie früher. Das Abenteuer kann beginnen.
Tag 2. Sonntag.
Zeitig aufstehen. Nacheinander duschen, schminken, Haare föhnen. Tasche packen: Schirm, Kamera, Geld, Handy, Lippenstift – das reicht auch schon. Im Coffeeshop auf der Liverpool Street frühstücken. Wir lieben Sonntagsausflüge. Das ändert sich auch in London nicht. Wir haben unseren eigenen kleinen Reiseleiter dabei, der genau weiß, wo es schön ist und uns in Shoreditch umherführt. Brick Lane Market. Old Spitalfields Market. Sunday Up Market. Zwischendrin Bilder von Banksy. Glühwein. Straßenmusiker. Die Straßen voller Menschen und Geräusche. Niedliche Buchhandlungen. Geschenke für Weihnachten. Überall schöne Stände mit Schmuck, Kleidern, Essen und lustigen Dingen, die man noch nie gesehen hat. „Schau mal, auf den Kalenderblättern haben alle Vögel kleine Hüte auf. Wie niedlich!“ Geht immer: Shoreditch. Old Street, Great Eastern Street, Brick Lane, Brushfield Street und Shoreditch High Street. Pop-Up Stores. Food-Märkte. Durchprobieren. Geld für kleine Geschenke ausgeben. Treiben lassen. Nicht auf die Uhr gucken. Geht gar nicht: Honeypuffs. Highlight: Der Besuch in Jamie Olivers „Fifteen„. Jeder in der Reisegruppe durfte sich einen Wunsch erfüllen. Das war meiner. Zum Hauptgang: Gegrillter Lachs, Ofenkartoffeln und Dill-Mayonnaise. Nebenbei: Selbstgebackenes Brot mit Meersalzbutter. Gin Fizz. Hausgemachter Eistee. Dessert: Karamell-Éclair. Wir waren glücklich und satt. (ca. 30£ für alles inkl. Service-Pauschale)
Tag 3. Montag.
Wir liegen noch im Bett und schauen die Bilder von unserem Nachtspaziergang an. Ein Spaziergang entlang der Themse. Vorbei an der Tower Bridge. An den vielen kleinen Poppys zum Gedenken an den „Remembrance Day„. Immer auf der Suche nach dem Paddington Bär, von dem 30 Statuen überall in der Stadt verteilt sein sollen. Der Wecker klingelt. „Anne, aufstehen“. Morgens durch die beschlagenen Scheiben von unserem Airbnb-Zimmer schauen und tatsächlich einen blauen Himmel entdecken. „Bei dem Wetter fahren wir heute keine U-Bahn, sondern Doppeldeckerbus“. Frühstück beim Bäcker um die Ecke. Mittlerweile fühlt sich die Hoxton Street nach einem Stück Zuhause an. Wir steigen da aus, wo es schön aussieht. Macarons kaufen bei Ladurée. In Buchhandlungen nach dem Paddington Bär suchen. Westminster City. Buckingham Palace. St. Jame’s Park. Eichhörnchen zählen. Trafalgar Square. Sonnenschein. Erinnerungen an die Schulzeit und den London-Besuch in der 9. Klasse. Der nächste Wunsch der Reisegruppe geht in Erfüllung: Shoppen in London. Oxford Street. H&M auf sieben Etagen. Marks and Spencer. Next. & Other Stories. Topshop. GAP. OASIS. Pull&Bear. River Island. Warehouse. Die Tüten werden schwer. Die meist gestellte Frage zum Abend: „Wo gehen wir essen?“ und vor allem „Worauf habt ihr Lust? Anne, Nudeln zählen nicht!“. Geht immer: Carrot Cake Muffins, die App „Citymapper“, neue Orte zum Frühstücken entdecken, Apple Cider im Pub, Bus fahren, Regenbögen, London bei Nacht, sich verlaufen und abends lang erzählen. Geht gar nicht: Spontaner, eiskalter Regen. Sweet Iced Tea. Nicht zu verwechseln mit Ice Tea. Unfreundliche Busfahrer. Probieren: Mince Pies. Highlight: SOHO. Abends durch die bunten Straßen des Viertels spazieren. Pubs, Bars, Restaurants, kleine noch niedlichere Läden. Beim nächsten Mal finden wir dann auch sicher das Soho House. Sich Lametta umhängen. Einfach in den Gassen abbiegen, wie es einem gefällt. In Chinatown landen und vietnamesisch essen („Du findest bestimmt was, Anne“). Nudelsuppe für immer!
Tag 4. Dienstag.
Kichernd aufwachen. „Guten Morgen, du kleine Kegelrobbe“. „Hab ich mich wieder nachts umher gerobbt?“ „Na und wie!“ Der letzte richtige Morgen in London für Team Leipzig. Koffer packen. Zum letzten gemeinsamen Frühstück entdecken wir die kleine Boulangerie mit den französischen Kellnern und RadioPete, dem besten Radiosender. Zu Armen Rittern, Orangensaft, Rührei und Crêpes werden hier nur Pop-Hits von allen vorstellbaren Boy- und Girlbands serviert. Wir sitzen lachend am Tisch und singen „If you wanna be my lover, you gotta get with my friends, make it last forever friendship never ends, if you wanna be my lover, you have got to give. Taking is too easy, but that’s the way it is!“. Koffer einschließen. U-Bahn fahren. Tapetenwechsel zum ausgelassenen Soho. Vorstadtcharme. Portobello Road Market. Die Portobello Road bis zum Ende entlang spazieren. Viel zu viel Geld ausgeben, weil die Verkäufer so gut aussehen und einen charmant mit „hello darlings!“ begrüßen. Ein letztes Mal an der U-Bahn Station drücken. „Machts gut, Mädchen. Habt noch einen schönen Abend hier…“ Geht immer: Zusammen aufwachen und Quatsch machen. Spice Girls. Ein „take care!“ zur Verabschiedung. Burger. Verkäufer mit Vollbart. Geht gar nicht: Viel zu früh „good bye!“ sagen. Unbedingt: Geld auf die Oyster-Card laden. Kann man mal machen: In der U-Bahn einschlafen und am King’s Cross aufwachen. Highlight: Notting Hill. Der Stadtteil und Film mit Hugh Grant. Genau. „Ich fühl mich hier ein bisschen so als wäre ich in Brighton. Irgendwo am Meer und Hafen“. Bunte Türen. Kleine Hauseingänge. Rosen im Vorgarten. Enge Buchläden, in denen gekocht wird. Vorweihnachtliche Cupcake-Bäckereien. Tulpen im November.
Geht unbedingt wieder: Mädchenurlaub. Ryanair. Airbnb Zimmer mit Doppelbetten und einer Decke. London. Besseres Wetter als Zuhause. Britische Klatschzeitungen im Flugzeug lesen. Alles in dieser Kombination.
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