Roadtrip-Action für 24 Stunden. Die Reise beginnt verschlafen gegen 9Uhr morgens zum Samstag im Berliner Lichtenberg. Die Taschen sind mit Kinderschokolade, Waffeln, Paloma Limonade und Cola gepackt. Die CDs für die Fahrt gebrannt. Alles wie früher. Nur, dass man jetzt selbst fahren muss. Unser großes Ziel in knapp 3 1/2 Stunden: Der Ort Scheeßel. „Was reimt sich auf Esel?“. Richtig, die Route auf Google Maps sagt: Scheeßel. Hurricane Festival – zum Mittag sind wir da! Stau vor Hamburg, Rihanna mit „Diamonds“ auf der Autobahn und merkwürdige Raststätten. „Beim nächsten Mal will ich unbedingt mit dir ein Trucker-Menü bestellen“. Der hohe Norden begrüßt die Festivalgänger verhalten und mit Schildern, die gefühlt immer in eine anderen Richtung zeigen. Bändchen abholen. Nase pudern. Kichern. „Richtige Mädchen, eh“. Das Chaos geht weiter. Parkplatz suchen. Neben Schnellstraßen entlang laufen. Und immer wieder der Satz „Ihr müsst zur anderen Seite des Geländes“. OARSCHFLIPPAUS! Wenn gar nichts mehr geht: Fremde Menschen fragen, die nett aussehen. „Eh, Mädels, nehmt ihr uns mit zum VIP-Parkplatz?“ „Wir haben zwar selbst keine Ahnung, wo der ist, aber klar“. Wir dachten noch, dass der Security Mann scherzt, als er von „Rechts, dann wieder rechts, geradeaus, über die Ortschaft werdet ihr dann umgeleitet und dann wieder rechts“ erzählt hat, aber nein, eine halbe Stunde später betreten wir das Festivalgelände. (Man soll zwar keine Süßigkeiten von Fremden annehmen, aber was will man machen, wenn die Celebrations-Box nach hinten gereicht wird.) Blauer Himmel. Weiße Wolken. Ein freies Feld. 3 große Bühnen. „Welche ist denn jetzt die Mainstage?“ „Kommt darauf an, wo ihr hinmüsst“. Vielleicht hat sich Lykke Li auch nur hinter der roten Bühne verlaufen und keiner hat sie abgeholt. Wir werden aber abgeholt. Endlich. Zur Begrüßung gibt es Cola-Eis aus der Dose, Steckdosen und die beste Zusammenstellung auf meinem Teller mit Kartoffelbrei, Käsescheiben, Gemüse-Lasagne und Curry-Hühnchen. Crazy! Angekommen. Zwischen Flamingos, Regenschauern und Rappern, die „Schnauzer“ nach guten, sächsischen Regeln spielen. „Fettaugen raus, eh!“ „Ich mach zu“. „31! Hosen runter“. Da muss man einfach 50 Cent investieren und mitspielen. „Wer spielt denn da gerade auf der Bühne?“ „Ich glaube die Donots“. Dann lieber noch einen Kaffee und ein Kuchenteilchen.
Der Regenbogen lockt uns unter dem Zelt hervor: „Wir gehen mal raus und erkunden das Gelände“. Diesmal merken wir uns aber, aus welcher Richtung wir kommen. Auf uns warten Menschen mit Bandshirts, Haarbänder, Bierstände, Fotoboxen, betrunkene Anmachen, der Crêpes-Wagen („Mmmh Nutella!“) und ein schöner Sonnenuntergang. Es wird langsam Zeit. Wir warten auf 21.15Uhr. Fähnen verteilen. Auf den Technikturm klettern. Kameras auspacken. Der beste Blick aufs Hurricane-Spielfeld. Pinker Rauch. Vermummte Fahnenschwenker. Pyro. Bengalisches Feuer. Kraftklub mit einer unglaublich guten Live-Show. Sie sind zurück in schwarz und noch viel besser. Wir freuen uns auf das neue Album. Die Festivalkamera filmt das Konzert von oben: „Eiii, wahnsinn“. In dieser Stunde denkt niemand mehr an das WM-Spiel zwischen Deutschland und Ghana. Erst recht nicht, wenn sich drei Fahnenschwenker als K.I.Z. entpuppen und aus „Urlaub fürs Gehirn“ plötzlich „Juppe“ wird. Richtig gut! Eine große Verbeugung für das Hurricane. Regen, Moshpits, Wall of Love oder die Wellenbrecher können dem Publikum nichts anhaben.
Danach: Schnaps (oder auch wieder Cola), endlich die Konfetti-Pistole austesten, im Schaukelstuhl sitzen und ausruhen. Lily Allen wartet bereits mit neonfarbenen High Heels, den Lily Allen Dancers und kleinen Sprühsahne-Flaschen auf der Bühne. „Krass, man kennt ja doch ziemlich viele Lieder von ihr. Hätte ich gar nicht gedacht“. Wir können leider nicht weiter mitsingen, denn wir müssen weiter zum Becks Party-Truck auf dem Campinggelände. Das geht ab! Noch mehr Zuckerwasser, Konfettischüsse, ausgelassenes Tanzen, Musik von 2006, Mädchen oben ohne (Sätze von Jungs: „Der BH ist nicht schön“.) und Becks Dosenbier. Perfekt! Ein gelungener Abschied. 1.30Uhr: Carcall – wir müssen los. Verabschiedungen, Fotos verschicken, Umarmungen und gute Laune. Oh nein! Wo ist das Auto? Kein Netz, kein Empfang und fast keinen Akku mehr. Och nö! Da nützt einem auch der Standort vom Auto nichts. Wie man schon sagte: „Man kann im Weltraum skypen, aber kriegt es nicht hin, dass man auf Festivals Empfang hat“. Taschenlampe an und den richtigen Parkplatz suchen. Nach über einer Stunde im Dunklen am roten Flitzer stehen. „Jetzt erstmal einen Kaffee. Den brauch ich“. „Oh, den haben wir in Berlin im Kühlschrank vergessen“. Was dann hilft, um wach zu bleiben: Autofenster nach unten, Mentos, Schokobons, Cola und ganz viel erzählen. Und, wenn dann 70km vor Berlin die Augen zufallen, hilft nur die Geheimwaffe: Radio. Auf irgendeinem Sender wird schon Cro laufen. „Geil! Jetzt könnte ich noch 800km fahren!“ 7Uhr morgens auf den Straßen von Lichtenberg. Wir schultern den Turnbeutel und schleppen uns die Treppe nach oben. Abschminken. Schlafshirt. „Oar“. „Gute Na….“ „Mist. Ich kann nicht einschla…“. Augen zu. Was für ein Roadtrip! Zwei Mädchen, ein Festival-Abenteuer und jede Menge Dinge, die man noch nie vorher gemacht hat. Aber es hat sich verdammt nochmal gelohnt. Das nächste Mal fahr ich dich dann zum Coachella nach Kalifornien.
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