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[ANZEIGE.] Einen Tag lang werden wir völlig aus dem Alltag gerissen. Erleben neue Welten, lassen uns auf spannende Experimente ein und geben uns viel mehr Zeit, um einzelne Dinge zu betrachten. Wir haben versucht alle alltäglichen Dinge auszublenden und uns nur auf die Kunst einzulassen. Denn das braucht es auch. Zum ersten Mal überhaupt besuchen wir die 1955 ins Leben gerufene Weltkunstausstellung documenta, die in diesem Jahr ihre 14. Auflage feiert. Die Rechnung funktioniert natürlich nur, wenn man beachtet, dass nur aller fünf Jahre die Schau für zeitgenössische Kunst stattfindet. Der Gedanke an die aufregende, viel diskutierte Kunstschau in Kassel lässt uns kaum am Abend vorher einschlafen. Wir wissen nicht was auf uns zukommt und können auch nur schwer abschätzen, was die erlebte Kunst mit uns anstellen wird. Noch bevor alle Besucherströme nach Kassel ziehen, dürfen wir in ganz besonderen Preview die Ausstellung betreten.

Nicht nur für uns wird der Ausflug nach Kassel zu einer echten Besonderheit, sondern auch die Ausstellungs-Schauplätze zeigen sich von einer ganz neuen Seite. Zum ersten Mal findet die documenta14 zweigeteilt voneinander statt. Am 08. April eröffnete die Ausstellung in Athen ihre Türen und setzte die nächste Eröffnung am 10. Juni in Kassel fort. Von da an kann in den nächsten 100 Tagen das Ausstellungsgelände zwischen dem Museum Fridericianum, der Documenta Halle und den Fulda-Auen besucht und auf ganz besonderen Spaziergängen erkundet werden.

Wir begeben uns auf unseren eigenen kleinen Spaziergang. Viel Zeit bleibt uns schließlich nicht, um möglichst viel aufzunehmen. „In einem Museum wart ihr schon mal?“, werden wir zu Beginn gefragt. Alle nicken eifrig aber unsere Blicke schweifen immer wieder ab Richtung des in Plastik eingehüllten Tempels mitten auf dem Friedrichsplatz. Begleitet von unserer Choristin Ann-Kathrin Mogge beginnen wir an den, mit Folie umwickelten, Säulen unseren Spaziergang – dem sogenannten Parthenon of Books. Einer Installation von Marta Minujín, die natürlich an den Tempel auf der Akropolis erinnern und gleichzeitig ein Aufruf gegen die Zensur, verbotenen Texte und Verfolgung der Verfasser darstellen soll. Denn der im Oktober 2016 begonnene Bau des Tempels besteht aus über 100.000 verbotenen Büchern, die weltweit, zu bestimmten Jahrhunderten der Öffentlichkeit verschlossen blieben. Gossip Girl. Die Leiden des jungen Werthers. Sternstunden der Menschheit. Kafka. Brecht. Heine. Daneben wieder Twilight. „Diese Bücher waren alle irgendwo mal verboten?“, wir können es selbst kaum glauben und streichen andächtig über die Folie. Vielleicht ist es aber auch nur der kühle Wind, der uns Gänsehaut macht. Keine Sorge, die Bücher bleiben nicht immer unter Verschluss, sondern werden am Ende der Documenta wieder zurückgespendet.

Im Schlenderschritt begeben wir uns zum Museum Fridericianum. Erst jetzt bemerken wir, dass wir den Spaziergang weitestgehend vorgeben. Unsere Choristin Ann-Kathrin stellt uns nur die Kunstwerke vor, zu denen wir etwas wissen wollen oder, die ihr eben besonders am Herz liegen. Immer wieder muss ich an die alten, tragischen Geschichten der Antigone denken. Oder an das, was aus dem Deutschunterricht hängengeblieben ist. Wir suchen uns unsere eigene Perspektiven und diskutieren laut über die Kunstwerke. Drehen sich die Personen zueinander oder voneinander weg? Wirkt der Stacheldraht auch so ruhig und warm auf dich? In welche Richtung verlaufen die Pinselstriche? Woran erinnert dich der Knüppel? Ist es makaber oder schlichtweg aufrüttelnd? Wir sprechen in der Gruppe offen von unseren Gedanken. Auf diese Weise habe ich Ausstellungsbesuche selten erlebt. Unsere Meinungen nähern sich an, stoßen sich ab und finden auch mal nicht zueinander. Es geht schließlich nicht darum die Kunst zu bewerten oder zu kritisieren. Sondern nur zu erzählen, wie sie auf uns wirkt – und sie wirkt stärker, weil wir uns wirklich für diesen Tag lang darauf einlassen. Wo ich sonst geschmunzelt hätte, höre ich den Geschichten der Choristen zu und versuche eine Erklärung für mich zu finden. Aber genau dieses Gefühl will die documenta14 vermitteln. Einen direkten Austausch erzeugen. Eine universelle Sprache finden. Lebendigkeit schaffen. Für Interessierte der documenta: Unbedingt einem der Spaziergänge folgen und die Chorist(Inn)en nach ihren Erfahrungen befragen.

Wir betrachten Kunstwerke von Stanley Whitney, eine Live-Performance von Marie Cool (die über das Berühren von gespanntem Klebeband die Distanz zwischen dem Raum innen und draußen aufbrechen will), lassen uns bei Experimenten von uns selbst täuschen, werfen einen Blick auf den künstlerischen Leiter Adam Szymczyk, geraten unmittelbar in die nächste Performance in norwegischer Ur-Sprache, pflücken in den schönen Garten der Orangerie Blümchen, gönnen uns auch eine kleine künstlerische Pause mitten in der großen documenta Halle und lassen uns treiben. „Aber immer aufpassen, wer neben dir steht“, flüstert unsere zweite Choristin Karina Chernenko. „Man weiß nie, wen man hier trifft. Nicht selten sind die Künstler selbst vor Ort“. Mit dem letzten Blick auf die Röhren-Installation des irakischen Künstlers Hiwa K. werden wir mit unseren Gedanken Richtung Heimreise entlassen. Der Himmel verdunkelt sich und braut sich imposant vor dem Parthenon of Books zusammen. Was braucht der Mensch? Welche Grundbedürfnisse hat ein Mensch? Wir schauen in die Röhren. Wasser. Hygiene. Ein Schlafplatz. Licht. Nahrung. Unterhaltung. Wir zählen alle Gegenstände auf, die wir in den schmalen Röhren finden. Aber eigentlich gibt es doch etwas viel Wichtigeres, denken wir alle, sobald wir von der persönlichen Geschichte und Flucht des Künstlers erfahren. Frieden. Die documenta ist weit mehr als eine besondere Ausstellung, die nur aller fünf Jahre stattfindet, sondern ein politisches Statement, das keinen Bogen um die Themen Flucht, Vertreibung, Öffentlichkeit und Freiheit macht. Der Regen wäscht langsam den Staub aus den Pflastersteinen aber unsere Erinnerungen bleiben… auch Tage danach, wenn wir zum ersten Mal das DAYBOOK aufschlagen. documenta, das war ganz schön beeindruckend bei dir! Noch knapp 100 Tage lang öffnen sich die heiligen Tore…

[*Dieser Artikel ist nach einer Pressereise zur der documenta14 entstanden. Dank Avantgarde Dresden durften wir einen Tag lang über das Gelände schlendern. Vielen Dank für dieses Abenteuer! Noch mehr tolle Berichte gibt es bei Maureen&Sebastian von We Should Run, Meike von Kulturgeflüster Dresden, Matthias von Mister Matthew und Alexander Nast.]

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Kommentare

  1. […] Annabelle sagt – hier lang zu ihrem Beitrag. […]