Das Quarantäne-Tagebuch
// Tag Null
Der Schweiß in der Nacht und die Halsschmerzen beim Aufwachen verrieten mir bereits, dass ich nach zweieinhalb Jahren nun doch endlich zu den Auserwählten zählen dürfte. Zwei deutliche Striche zeichnen sich auf dem Schnelltest ab. Nach einem zuletzt falschen Schnelltest und einem Wochenende in Isolation sollte dieser Test diesmal endgültig sein. Nun gut. Der Schock hielt nicht lang an, schließlich häuften sich die „positiven“ Berichte von Freund*innen vom vergangenen Clubausflug oder Karfreitag in Chemnitz. Pro Tipp für alle, die noch zu den glücklichen Infektionslosen zählen: Sich bei schönem Wetter zu infizieren, erleichtert den Gang zum PCR-Labor, denn innerhalb von zwei Minuten wird man durchgeschleust. Zuhause angekommen, verfiel ich nicht wie beim letzten falschen Alarm in Panik und sortierte alle Schränke an einem Tag neu, sondern musste mich erstmal dick eingepackt aufs Sofa legen. Wie gut, dass ich alle Folgen „Germanys Next Topmodel“ noch nicht gesehen hatte. Später am Abend stocherte ich noch lustlos in einem Teller Nudeln mit Tomatensauce rum und ließ ihn zur Hälfte stehen. Stattdessen freute ich mich vielmehr auf meine guten Freunde, die gern im Duo unterwegs sind „MC Nasenspray und Schlaftee“ – so langsam kickte das Fieber wieder rein. Ich ging schlafen, während es draußen noch hell war.
// Tag Eins
Die Nacht war gut und ich wachte ohne Kopfschmerzen auf. Der gestrige Tripp fühlte sich ein wenig wie die Tage nach den drei Covid-Impfungen an. Mein Rücken schmerzte vom Liegen, aber ich konnte mich noch nicht dazu motivieren ihn in der Haltung des Kindes zu dehnen oder überhaupt irgendetwas Sportliches zu machen. Aber der Wunsch wuchs in mir, den Heidi Dance zu „Chai Tea with Heidi“ auswendig zu können – dass Corona das Gehirn verkleinert, war hiermit offiziell bestätigt. Doch diese Aufgabe wollte ich mir vielleicht für Tag Fünf aufheben. Es galt erstmal leichte Aufgaben zu bewältigen wie zum Beispiel den Kühlschrank auszusortieren und auszuwischen. Passend dazu hätte ich eigentlich die „Fest & Flauschig-Folge“ hören müssen, in der Jan und Oli „Die großen fünf Lebensmittel, die immer im Kühlschrank weiter nach hinten rutschen und schlecht werden“ besprechen. Das Glas Gurken hätte ich definitiv auch im Angebot gehabt. Damit nicht nur der Kühlschrank frisch glänzend funkelte, musste direkt die ganze Küche daran glauben. Den Rest des Tages verbrachte ich am Schreibtisch, am Telefon oder in Video-Calls – „Selbst und ständig“, es klingelte direkt in meinen Ohren. Erst am Abend meldete sich Heidi wieder und versprach mir eine tolle Sendung zum Thema „Social Media“ mit ihren Mädels, äh Models. Und ja, es bestätigte sich wieder: Ich möchte auch in Zukunft kein TikTok-Starlett werden. Im Übrigen rief die Uniklinik nicht an – was darauf deutete, dass mein PCR-Test ebenfalls positiv war.
// Tag Zwei
Endlich war auch die Corona-Warn-App wieder Rot. Es war ja nicht zum Aushalten. Zur eigenen Sicherheit begann mein Morgen mit einem weiteren Schnelltest. Es könnte ja alles nur ein kleiner Albtraum sein oder sich als riesiger Fehler herausstellen. Doch mittlerweile häuften sich auch weitere positive Tests im Umfeld. Uff. Wie kann es da eigentlich sein, dass die Inzidenz in Leipzig sank? Ich schaffte es zum ersten Mal auf die Yoga Matte und rotierte mein Becken zu den Anweisungen von Adriene – „Yoga with Adriene“ ist wirklich gut und empfehlenswert, weil es für jede Situation eine perfekte Session gibt. Ängste? Liebeskummer? Rückenschmerzen? Mehr Selbstvertrauen? Kein Problem, Adriene macht das! Die komplette Wirbelsäule schmerzte aber nach knapp 20 Minuten atmete ich ächzend auf. Die Muskeln waren endlich warm und geschmeidig – ich habe mein Bestes gegeben. Frisch frisiert und geduscht, versendete ich die ersten Selfies mit Covid-Glow. „Solange du noch zum Schminktäschen greifst, mach ich mir keine Sorgen“, schrieb O. und ich setze mich wieder an den Schreibtisch. Das Wetter trug im Übrigen auch nicht zur Aufmunterung bei. Später am Abend triftete ich mit den Kaulitz-Twins in meine Hollywood-Bubble ab – die tat meinem Kopf definitiv gut. Ich fragte mich: Ist es normal, dass der Corona-Körper jeden Tag punkt 18 Uhr runterfuhr? Während ich überlegte, schlief ich mit Gedanken zum Coachella und dem Fakt, dass Britney Spears schwanger ist, ein.
// Tag Drei
Welchen Wochentag haben wir eigentlich? Interessierte das in der Quarantäne eigentlich irgendwen? Nein. Ich gönnte mir sogar an diesem Morgen eine etwas anspruchsvollere Yoga-Session und fühlte mich richtig fresh danach. Routinen sind wichtig, besonders im Homeoffice, sagte M. zu mir. Deswegen frühstückte ich jeden Morgen zur gleichen Zeit, zog mich fertig an und klappte den Laptop wieder auf. Was war eigentlich mit dem Frühling in diesem Jahr los, dachte ich mir beim Blick aus dem Fenster. Das Highlight des Tages war auf jeden Fall der Gang zum Müll und Briefkasten – noch immer kein Bescheid des Uniklinikums. Dafür absolute, herrliche Ruhe im Haus – es schienen wohl Ferien zu sein. Das konnte von mir aus so bleiben. Damit ich in dieser Woche nicht zu viel Geld sparte und mich die Leipziger Gastro nicht zu sehr vermisste, bestellte ich bei „An Chay“ gebratene Reisnudeln und Dumplings. Genüsslich schob ich mir die knusprigen Dumplings in den Mund und schaute dazu die 5. Staffel „ELITÈ“ – auch gut für meinen Kopf, denn die Handlung ist sehr überschaubaur, dafür sieht alles schön aus. Oh, wow schon wieder ist ein Tag vorbei. R. fragte mich, ob mir schon die Decke auf den Kopf fällt – aber ehrlich gesagt vergingen die Tage ziemlich schnell und es gibt doch immer viel zu tun. Wenn man es mit sich selbst gut aushält, ist das kein Problem.
// Tag Vier
Endlich gibt es eine neue Folge „Fest und Flauschig“ auf die Ohren – perfekt, um dazu das Bad zu putzen. Toll! Am Ende der Quarantäne hatte ich alle Zimmer geschafft – ein gutes Gefühl. Ja, es sind die kleinen Dinge in diesen Tagen. Wie geht es mir denn eigentlich, fragte ich mich und horchte ich mich hinein. Noch immer Schnupfen. Aber sonst gut. Danke an dieser Stelle an die Covid-Impfung. Aber der noch größere Dank gilt in dieser Woche den lieben Menschen, die wirklich vorbeigekommen sind und mich mit kleinen Aufmerksamkeiten überrascht haben. Am Abend brachte mir R. einen Lieblingsburger vom deli aus Connewitz vorbei, den wir im Garten auf zwei getrennten Bänken vernaschten. Dazu gab es noch Lieblingskuchen von macis, Saft und Spülmittel. Gut zu wissen: Die Gesprächsführung funktionierte auch noch – sehr gut. Richtig glücklich fiel ich ins Bett. Maus. Damit meine neue Freundin Heidi nicht eifersüchtig wurde, gönnte ich mir noch eine Folge „Germany’s Next Topmodel“ und diskutierte mit T., inwieweit diese Staffel das Prädikat „divers“ wirklich verdient. Wir kamen schnell zu dem Schluss: Nicht wirklich. Wow, ob so viel Trash in einer Woche gut sein konnte? Ich denke doch.
// Tag Fünf
Es klingelte an der Tür mit den Worten „Gesundheitsamt“ – ach, wirklich jetzt? Doch mir wurde im Treppenhaus kein Klemmbrett entgegengehalten, sondern ein wunderschöner Blumenstrauß und eine Tüte voll mit Snacks. Halleluja! Zu den lilafarbenen Tulpen gesellten sich am Nachmittag noch weitere wunderschöne Exemplare in Orange. Im Garten warteten J. und R. auf mich und überraschten mich mit Kuchen vom Café NiMo, Süßigkeiten, alkoholfreien Sekt und Erdbeeren – es fehlte nur noch der Kaffee von oben. Kein Problemo, Barista Hutschi hat vorgesorgt! Die Minzblätter für unseren Mocktail zupften wir aus dem heimischen Garten hinter der Bank. Ich fühlte förmlich wie die Energie zurückkam und lange Gespräche dann doch fehlten. „Was war so los in der Außenwelt“, fragte ich J. und stellte beruhigt fest, dass ich nicht viel verpasst hatte. Das Mailpostfach wartet bereits nach einem kleinen Kaffeeklatsch auf mich und zeigte mir mit strengem Blick, dass es sich sehr vernachlässigt fühlte. Um mich aufzuheitern, brauchte es am Abend Nudeln mit Wurstgulasch und Käse. Es war an der Zeit, dass wir uns endlich der neuen Staffel von „Selling Sunset“ widmeten – es war Zeit für eine Netflix-Party. L. und ich konnten es kaum erwarten. Mit diesem tollen Tool kann man wunderbar zu zweit Netflix schauen und darüber diskutieren – und jede*r bleibt dabei im eigenen Bett.
// Tag Sechs
Die Sonne strahlte und lockte alle nach draußen – oh, wait. Bei knalligem Sonnenschein nicht rauszukönnen, war wirklich eine Zerreißprobe für mich. Doch ich überlegte nicht lang und zog mir die Gartenbank in die Wärme. Mit einem Buch und geeisten Kaffee gewappnet, verweilte ich viele Stunden so in der Mittagssonne und lauschte nebenbei dem Vogelgezwitscher. Wie J. bereits am Vortag bemerkte: Unser Garten ist ziemlich idyllisch. Normalerweise würde ich jetzt im Café sitzen, an den See radeln oder ein Weinschörlchen trinken – aber es war auch einfach in Ordnung nur Zuhause zu sein. Ganz neue Gedanken oder? Denn auch mein Balkon benötigte etwas mehr Liebe. Der Lavendel, der seit Tagen nur in der Ecke rumstand und lieblos gegossen wurde, bekam endlich einen Platz im Kasten. Vertrocknete Zweige wurden abgeschnitten und die Tomatenpflanzen gegossen. Schön. Als Belohnung für mein Gärtnern, kochte ich mir Kartoffeln mit Spinat und Rührei. Stabil! Der einzige Moment, der während der Quarantäne reinkickte, war wirklich der Samstagabend. Alle waren unterwegs. Man merkte es daran, dass plötzlich niemand mehr antwortete. Ich überlegte, ob ich mich bei Bumble anmelden sollte – aber auch da waren einfach alle unterwegs. Warum heißt jeder fünfte Mann ab 30 eigentlich Patrick?
// Tag Sieben
Es ist fast geschafft. Oma fragte auch, ob ich denn wieder rausgehen könnte und, dass sie es für mich auch stellvertretend nervig findet. Zur Feier des Tages läutete ich den Morgen mit einem Schnelltest ein, der endlich wieder nur mit einem Streifen versehen war. Halleluja. Morgen geht es zum offiziellen Test, dachte ich mir. Adriene schickte mich im Anschluss wieder auf die Matte und schenkte mir eine Einheit für einen flexiblen Geist und Körper. Das war ziemlich gut, denn es stand noch eine allerletzte Arbeitseinheit in dieser Woche an. Obwohl ich fast mehr als eine Woche Zeit hatte, um alle Aufgaben zu erledigen, ging es ziemlich schleppend voran. Ich schaffte es nicht einmal wirklich alle Serien und Dokumentation, die ich mir für den Ernstfall vorgenommen hatte, anzuschauen. Der Druck die To-Do-Liste abzuarbeiten ist immer größer. Dafür möchte ich mich auch gar nicht feiern, es musste eben sein. Im Endeffekt hat mir die Quarantäne auch gezeigt, dass ich ziemlich konzentriert arbeiten kann, wenn ich die äußeren Einflüsse etwas besser ausblende und, dass ich sehr gut mit mir auskomme. Ich mochte die ruhigen Abende und dieses Gefühl in mir zu ruhen. Ich habe es mir deutlich schlimmer vorgestellt, „eingesperrt“ zu sein als es im Endeffekt war. Ich wüsste, dass ich im Notfall alle Freund*innen und Zuhause hätte anrufen können – sie würden auf der Matte stehen. So blieb es bei zwei, drei Telefonaten, der täglichen „Wie geht es dir?“ -SMS von Mama, einer Netflix-Party und zwei Besuchen im Garten. Den letzten Abend verbrachte ich mit einem guten Abendbrot, „Selling Sunset“ und früh ins Bett gehen. Der Preis für die Trashqueen der Woche ging im übrigen an mich. Ich verbeuge mich. Ach, und Bumble werde ich sicherlich sehr bald wieder löschen. Mit diesen Gedanken schloss ich die Quarantäne ab. It’s ok. Aber bitte nicht gleich wieder.
// Tag 8
Let’s go outside!
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