„Warst du schon in der neuen Ausstellung im GfZK?“ „Ja, die hab ich schon gesehen. Aber war geil“. Trotz schönen Weihnachtsmärkten, halbwegs trockenen Spaziergängen im Park und Cafés, die man besuchen könnte, wird es Zeit, um auch mal wieder etwas Neues zu erleben. Anscheinend sind aber alle anderen im Bett geblieben, denn die Straßen bleiben zum Sonntag leer. Die große Frage zur Ausstellung empfängt einen schon am Eingang. „Was denken Sie über gesellschaftlichen Zusammenhalt?“. Erstmal das Fahrrad abstellen und schnell vor dem Regen retten. „3€ für Studenten. Ja, passt schon. Danke“. Kopfhörer auf und abtauchen. EXPLOSION ist eine Videoausstellung von Mario Pfeifer, die aus mehreren zusammengestellten Kurzfilmen, verteilt auf verschiedene Räume besteht. Alle Räume sind abgedunkelt und über Durchgänge miteinander verbunden. „Wie fandest du den Rapper am Ende?“ „Am Ende? Damit hab ich angefangen“. Für die Erzählung der einzelnen Geschichten spielt es keine Rolle, welchen Weg man nimmt. Alle Geschichten geschehen unabhängig voneinander. „Was war für dich der rote Faden durch die Ausstellung? Das große Thema?“ – wirklich schwer zu sagen. Der Dresdner Künstler Mario Pfeifer bereiste die unterschiedlichsten Länder der Welt und nimmt am Alltagsleben der Orte über einen längeren Zeitraum teil. In einzelnen Episoden, erfahren wir als Besucher Gedanken der Einheimischen über Themen wie Arbeit, Religion, Ökonomie, Rassismus oder Migration zum Beispiel aus Indien, Chile, den USA, Deutschland oder Brasilien.
„Pfeifers Fokus liegt vor allem auf der Darstellung lohnabhängiger, Identitäts-konstruierender oder Identitäts-vernichtender Arbeit weltweit, deren Ausübung und Auswirkung er immer wieder ins Bild setzt. Dabei glaubt er fest an die Empathie evozierende Wirkung seiner Videoinstallationen. Gerade die Arbeitsprozesse sind es – im Gegensatz zu Religion und kulturellen Praktiken – , so der Künstler, die alle Menschen weltweit nachvollziehen können, egal ob in Leipzig, in Süd-Chile oder Marokko.“ [EXPLOSION, GfZK Leipzig]
Es funktioniert. Die Filme fesseln und schaffen, dass man sich versucht in die Protagonisten hinzuversetzen. Manchmal bleibt man fast über eine halbe Stunde sitzen und beobachtet Wasserfälle, abfotografierte Fotografien, Schmiedetechniken, Krabbenfischer oder verstörende Sequenzen von zerschnittenen Pferdeköpfen. Hört fremde Sprachen. Erschrickt, weil plötzlich nach einer langen Redepause wieder spricht. Läuft frei umher. Sucht sich einen neuen Raum. Dass da plötzlich noch mehr Besucher um einen sitzen, bemerkt man erst gar nicht. Es fühlt sich so an als würde man für eine ganze Weile lang verschwinden und in neue Welten eintauchen. „Vielleicht geht es darum… um das Kennenlernen von neuen Welten und Geschichten“. „Von Wandel und dem, was übrig bleibt“. Mario Pfeifer bezeichnet es als Kaleidoskop, als bildhafte Darstellung gesellschaftlicher Zustände und der aktuellen politischen Situation. Trotz in die Ferne schweifen, bleibt unsere tägliche Realität nicht verschont. Fast zentral in der Ausstellung befindet sich eine Videoinstallation mit dem Diskursnamen „Über Angst und Bildung, Enttäuschung und Gerechtigkeit, Protest und Spaltung in Sachsen / Deutschland„. Angst vor Veränderung? Wie entsteht aus Angst Gewalt? Was können wir tun? Wie verändern wir uns? Antworten muss jeder selbst finden. Vielleicht aber ja doch bei einem Kaffee gleich um die Ecke im gemütlichen Café baubau. Der Rüblikuchen war übrigens auch ganz lecker.
EXPLOSION by Mario Pfeifer
kuratiert von Kirsa Geiser
01. Oktober 2016 bis 08. Januar 2017
Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig
Karl–Tauchnitz-Straße 9–11, 04107 Leipzig
Di – Fr: 14–19 Uhr (Mittwoch freier Eintritt)
Sa – So: 12–18 Uhr
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