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// Marla und wie sie die Welt sieht: Über Zeitmaschinen, Gentrifizierung und einen Sechser im Lotto.

Letzten Samstag war es wieder einmal so weit: Gute Freundin, die ich nun einmal bin, stand ich Punkt 11 Uhr energiegeladen bei einer Freundin auf der Schwelle, um ihr bei ihrem Umzug zu helfen. Wir waren nicht die Einzigen, die an diesem winterlichen Januartag schwere Kartons die knarzenden Treppen runterschleppten und dabei heimlich unsere schwachen Armmuskeln verfluchten: Das ganze Haus zog um – ab nächsten Monat würden alle Wohnungen, die bisher auf Grund des günstigen Preises von jungen Familien, Rentnern, Künstlern, Studenten und Kreativen bewohnt wurden (kurzum allen Bevölkerungsschichten, die über kein nennenswertes Einkommen verfügen), in Luxuswohnungen umgewandelt. Laut den Hausbesitzern war niemand zum Auszug gezwungen, alle könnten gerne hier wohnen bleiben – die Mietpreise würden aber selbstverständlich angehoben, im Falle der Wohnung meiner Freundin um ca. läppische 1000 Euro.

Wenig überraschend hatte sich niemand entschieden zu bleiben. Als ich in einer Pause vom Kisten schleppen durch die bereits leergeräumten Wohnungen wandelte, konnte ich einen Gedanken nicht abschütteln: Sitzen wir bald alle auf der Straße? Ist Leipzig doch das nächste Berlin, allerdings nicht im Bezug auf seine Hipness, sondern darauf, dass einkommensschwache Mitbürger von luxussanierten Wohnungen in die Peripherie von Miltiz und Paunsdorf verdrängt werden? Ich gebe an dieser Stelle gerne zu, dass ich noch nie willentlich in Paunsdorf war, in Miltiz dafür schon, einem Stadtteil, in dem sich (davon bin ich zumindest fest überzeugt) Fuchs und Hase treffen, um sich eine „Gute Nacht“ zu wünschen.

Gentrifizierung

Knapper Wohnraum und steigende Mietpreise sind nun wahrlich kein neues Problem in Deutschland, aber unser „Klein Paris“ Leipzig schien davon lange verschont – als ich herzog, wurden einem die teilsanierten Altbauwohnungen in Lindenau praktisch hinterhergeschmissen, was vor allem auch daran lag, dass niemand auch nur im Traum daran dachte, nach Lindenau oder Plagwitz zu ziehen. Die beiden Stadtbezirke hatten den distinktiven Beiklang von „Mord, Totschlag und das alles auf offener Straße“. Inzwischen wurde sogar die von Bäumen überwucherte Ruine neben meinem Haus saniert und zu horrenden Preisen vermietet, direkt daneben startet die verkehrsberuhigte Spielstraße für die neugebaute Kita, etwas weiter treffen sich die Eltern der Kita-Gänger im Biomarkt auf einen Hafermilch-Cappuccino und jammern über die häßliche Fratze der Gentrifizierung, wobei sie ironischerweise vergessen, dass sie genau so Teil davon sind wie die fiesen Baulöwen.

Gentrifizierung

Während ich also Kartons die Treppe hinunter schleppte und meine müden Knochen dann keuchend wieder in die zweite Etage quälte (Wusstet ihr noch nicht? Ich bin Teil der Initiative „Für mehr Realismus bei Umzugsbeschreibungen“.), brach milde Panik in mir aus. Wo sollte ich nur hin? Wo sollten wir alle hin? Warum hatte ich nicht VWL studiert und jetzt einen einträglichen Job als Hegefond-Managerin, von dem ich meinen luxussanierten Loft bezahlen konnte? Bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel: Ich muss eine Zeitmaschine bauen (easy)!

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Dann bewaffnet mit den Zahlen für den fettesten Lotto-Jackpot in die Vergangenheit reisen (Danke, Google), Lottoschein ausfüllen, überrascht tun, wenn meine Zahlen gezogen werden (ich denke an Fake-Tränen und schluchzende Danksagungen), Gewinn gut anlegen und hundert der schönsten Häuser in Leipzig kaufen. Eins würde ich selbst bewohnen, die restlichen würde ich zu Hartz-IV-Quadratmeter-Preisen vermieten: An junge Familien, Künstler, Studenten, Rentner und Kreative. Bäm, Problem gelöst.

Jetzt muss ich eigentlich nur noch herausfinden, wie man eine Zeitmaschine baut – wie schwer kann das schon sein?

Photos by Philipp Berndt, Chris Barbalis & chuttersnap on Unsplash.

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Natalie ist seit 9 Jahren Wahlleipzigerin, Co-Gründerin der Leipziger Code Girls und Autorin des Buches „We Love Code“. Sie hört gerne aber nicht ausschlißelich traurige Powerballaden, liebt geschmolzenen Käse zu jeder Tag- und Nachtzeit und wünscht sich, dass jemand endlich die ultimative laufmaschenfreie Strumpfhose erfindet. SAY HI TO KOLUMNISTIN MARLA! Mehr von Natalie findet ihr hier:

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