Umberto Eco, Albert Einstein oder sonst irgendein Mann soll mal gesagt haben, dass es für jedes komplexe Problem eine einfache Lösung gäbe und diese aber die falsche sei. Und da, meine Herren, möchte ich doch vehement widersprechen, denn ich habe die Lösung für all meine, mitunter doch recht komplex wirkenden Probleme gefunden und die lautet: Winterschlaf. Es ist doch schließlich so: Sobald die letzten Funken der Wunderkerzen zu Silvester verglüht sind, kommt diese berühmte zweite Seite der Medaille, von der wir zwar alle wissen, die aber trotzdem niemand mag. Besonders der Januar zieht sich wie ein extrem klebriges Kaugummi, so wie Hubba Bubba, das nach einiger Zeit immer zu einem zähen Klumpen geworden ist und überhaupt gar nicht mehr nach Cola schmeckt. Zum Nieselwetter, den nicht enden wollenden Tagen, die aus dunkel-grau-dunkel bestehen, kommt, nach vier Wochen Veganuary, Dryuary und No-Funurary, dann der Valentinstag im Februar. Pfui. Und dann sind wir alle wieder eingeschneit. Und so sehr ich auch Fangirl des Zwiebellooks bin und erst kürzlich mein Mützengesicht entdeckt habe, möchte ich diese drei Monate des Jahres gerne skippen, wie ein Lied von Phillipp Poisel.
„Und so sehr ich auch Fangirl des Zwiebellooks bin und erst kürzlich mein Mützengesicht entdeckt habe, möchte ich diese drei Monate des Jahres gerne skippen, wie ein Lied von Phillipp Poisel.“
Ich habe das Konzept nun 34 Jahre ausprobiert und beschlossen, dass postweihnachtlicher Winter einfach nichts für mich ist. Natürlich könnte ich es wie alle machen und den nicht zu meiner Persönlichkeit passenden meteorologischen Umständen meines Heimatlandes entfliehen und mich bei “Goodbye Deutschland” bewerben. Aber ich möchte auch keine Cocktailbar auf Mallorca eröffnen, obwohl meine fehlenden Spanischkenntnisse dafürsprechen würden, aber ich halte Cocktails nun mal für traurigen, nach Aufmerksamkeit heischenden Saft. Nein, ich möchte einfach schlafen. Drei Monate lang. Ich habe als Kind schon sehr gerne und lange geschlafen und außerdem macht das mein Neffe auch. Er ist eine Schildköte, heißt Hasso und ihm scheint dieses Konzept sehr gut zu bekommen, denn er scheint richtig ausgeglichen. Ob ich die Zeit auch im Kühlschrank verbringen möchte, fragt meine Mama am Telefon und ich freue mich, dass sie mein Vorhaben so ernst nimmt. Da ich es aber eher kuschelig, statt kühl mag, würde ich diese wunderbaren zwölf Wochen in meinem Bett verbringen, unter Decken, die so flauschig wie Wolken wären. Während Silvester andernorts darüber debattiert wird, wer denn nun die angetrunkene Oma nach Hause bringt und dass es nächstes Jahr wirklich nicht wieder Raclette gibt, weil ein Brocken Kartoffel, Mini-Wini-Würstchen und eine Scheibe Käse eben doch kein richtiges Essen ist, läute ich meinen Winterschlaf ein.
Zur Feier des Tages gibt es, wie immer, wenn im Hause Roth etwas sehr Schönes oder sehr Trauriges passiert, Abendbrot in der Badewanne. Hoffentlich fällt dieses Mal nicht wieder die Zwiebel vom Cheeseburger ins Wasser. Fingers crossed! Danach schlüpfe ich in meinen Flanell Schlafanzug, creme meine Füße ein und danke ihnen, dass sie mich auch dieses Jahr durch mein Leben getragen haben. Mein Gesicht durchläuft, wie gewöhnlich, die neun Schritte umfassende Beauty Routine, die heute mit einer reichhaltigen Gesichtsmaske abgerundet wird. Stichwort: Winterschlaf-Glow. Knirschschiene rein und dann ab ins Bettchen. Die zarten Klavierklänge meiner Lieblingsplaylist begleiten mich ins Land der Träume. Hier gilt selbstverständlich Albtraumverbot und es werden nur die schönsten Momente der letzten Jahre gezeigt.
Nicht nur mein Körper und Geist freuen sich über die Ruhepause, auch mein Konto findet es ziemlich nice, denn im Winterschlaf gilt natürlich voller Lohnausgleich, ist ja eigentlich ganz klar. Während draußen Flocken aus den Wolken rieseln und sich in kurzer Zeit mit dem Streusalz auf den Straßen zu einer grauen Matschepampe zusammentun, kümmern sich meine Zellen um Regeneration und werden endlich mal nicht von oxidativem Stress dabei gestört. Mein System detoxt alles weg, was keine Miete zahlt, Winter, Bullshit, alles. Und das ganz ohne pfützenfarbige Saftkuren für mehrere hundert Euro oder Bildschirmsperrzeiten, über die man sich genauso leichtfertig hinwegsetzt, wie über die Hinweise bitte nicht vom Beckenrand zu springen.
„Mein System detoxt alles weg, was keine Miete zahlt, Winter, Bullshit, alles.“
Einfach Augen zu und schön. Keine Roni-Diskussionen, keine komischen Spaziergeh-Dates, kein Gefühl des Scheiterns, weil die Neujahrsvorsätze wieder nicht umgesetzt wurden, kein Dahinwabern durch die ersten Kalenderwochen des Jahres, die sich alle dreimal so lang und alle so gleich anfühlen, keine und-täglich-grüßt-das-verdammte-Murmeltier-Feelings. Erst, wenn sich die ersten wirklich verlässlichen Sonnenstrahlen durch zarte Schäfchenwolken kämpfen und das Lieblingscafé die Stühle wieder rausstellt und sich langsam fragt, wo ich denn bleibe, erst dann erwache ich aus meinem Dornröschchen-Schlaf. Ich trinke noch gemütlich den ersten Kaffee des Jahres im Bett, werfe mich dann ins Flatterkleid und dünnen Mantel, male mir einen knallroten Kussmund, setze die Sonnenbrille auf und bin bereit für die schönen neun Monate des Jahres.
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