Endlich Sonntag. Endlich wieder die neue Rubrik. Für diese Texte sollte man sich eine Tasse Lieblingstee kochen und Zeit nehmen. Mädchen und Jungen im besten Alter, Mitte 20, schreiben ihre kleine Geschichten und Erfahrungen. Alles für die Liebe. Wir sitzen immer wieder zusammen und erzählen, tratschen, diskutieren, klopfen uns auf die Schultern, werden manchmal laut, halten Hände, träumen mit, ermutigen und schmunzeln. Worüber man eigentlich die meiste Zeit redet? Es sind immer die Herzensangelegenheiten. Manchmal frisst uns dieses ganze Gerede über Liebe und Glücklichsein auf. Wir sehnen uns. Wir teilen die Welt in: Vergeben und Single. Wir verlieben uns. Wir erleben Abenteuer. Wir machen Dinge, die man besser nicht machen sollte. Am besten gleich doppelt. Wir lachen mit. Wir sind traurig. Wir runzeln mit der Stirn und hinterfragen uns: Würde man selbst auch soweit gehen oder wie würde man in dieser Situation handeln? Es kann unglaublich spannend sein von diesen persönlichen und ehrlichen Gedanken zu lesen. Ich will diese sammeln. Aus den verschiedensten Städten und Perspektiven. Was bewegt dich? In erster Linie bat ich liebe Menschen aus meinem Umfeld aufzuschreiben, was für sie Herzensangelegenheiten waren oder immer noch sind. Die Absicht dahinter wirkt: “Du hattest Recht. Es hatte einen kleinen therapeutischen Effekt. Das hätte ich nicht gedacht”. Alle Texte bleiben, wenn man möchte anonym und zeigen nur einen Gefühlszustand zum Zeitpunkt des Schreibens. Möchtest du auch ein Gastautor in dieser Rubrik werden, dann schreib an: liebesbrief@annabelle-sagt.de. Es folgt eine…
Junimond.
„Nach so langer Zeit hatte ich endlich die Möglichkeit dich kennenzulernen, dich für mich zu haben. Immer wieder kam mir der Gedanke, dass wir das – du und ich – schon früher hätten haben können. Dann denke ich weiter und komme zu dem Schluss, dass das so auch nicht stimmt. Wir beide brauchten die Zeit, um uns zu entwickeln und scheinbar haben wir uns trotz des wenigen Kontaktes auf so vielen Ebenen angenähert. Immerhin hast du drei Versionen meines Selbst kennengelernt – von Abiturientin im Elternhaus über Bachelor-Studentin in der Studi-WG bis hin zur (fast) Masterabsolventin in der eignen Wohnung. Obwohl ich damals so unerfahren und naiv war, muss ich wohl Eindruck hinterlassen haben. So hat es mich jetzt nicht gewundert, dass ich dich nach so langer Zeit wirklich beeindrucken konnte – mit allen Erfahrungen, was ich habe und wer ich geworden bin. Fast schon erschreckend, wie ähnlich unsere Gedankengänge funktionieren, obwohl unsere beiden Lebenswege so unterschiedlich sind. Natürlich habe nicht nur ich mich weiterentwickelt. Obwohl du nun schon so lange in deinem Job arbeitest, bist du doch noch in einer bunten Glitzerwelt gefangen. Aber du redest in der Zwischenzeit auch von Erwachsenen-Dingen wie Zusammenziehen.
So ist es in den Mittzwanzigern doch mal soweit, darüber nachzudenken, ob der Partner ein ähnlichen Lebensentwurf wie man selbst vorsieht. Was wäre, wenn du den Traumpartner triffst und er will im Gegensatz zu dir keine Kinder oder nie heiraten. Lässt sich beim Heiraten doch irgendwie ein Kompromiss finden, kann man sich nicht auf ein halbes Kind einigen. So gibt es eigentlich nur Möglichkeiten, die nicht zu 100 Prozent perfekt sein können: DER Mann ohne Kind, Kind ohne DEN Mann oder eine anderer Mann mit Kind. So sehr ich darüber nachdenke, kann ich dafür keine Antwort für mich finden. Auch das Zusammenziehen oder Einigen auf eine Fernbeziehung stellen solche Probleme dar, die man vor ein paar Jahren doch noch nicht als so schwerwiegend empfunden hat. So musste ich auch letztens bei einer WG-Party feststellen, dass selbst wenn der gleiche Personenkreis von vor 5 Jahren aufeinander trifft, so sind es jetzt doch andere Gespräche, die man führt. Man spricht nicht mehr nur über Abstürze, Drogen, Partys – nein, auf einmal kommen Babys ins Spiel, langjährige Beziehungen und Festanstellungen.
Zurück zu dir. So froh ich nun darüber war, dass wir endlich eine gemeinsame Chance hatten, so enttäuschter bin ich natürlich davon, dass es nicht funktioniert – bzw. du nicht willst, dass es funktioniert. In all den Liebesbeziehungen und Affären musste ich lernen, dass es einfach sein sollte. Sieht einer von beiden so unendlich viele Probleme und der andere muss immer optimistisch für zwei sein, kann das nichts werden. In meinem Kopf ist das alles furchtbar einfach – auch mit dem Gedanken, dass es sicherlich Phasen geben würde, die schwer und richtig scheiße sind. Aber es gibt doch immer Lösungen für Probleme – man muss es nur wollen. Oder ist meine rosarote Brille einfach nur zu pink geworden?
Ich hatte das Gefühl in dir lesen zu können, wie in einem offenen Buch. Bis zu einem gewissen Kapitel hat das auch funktioniert. Nach der Hälfte des Buches scheint jedoch die Sprache zu wechseln. Und mit meinen wenigen Grundkenntnissen in dieser Fremdsprache kann ich nur daraus deuten, dass ich den Punkt deines Sicherheitsfanatismus übersehen habe. Ein Mensch, der in jeglicher Hinsicht versucht stets die Kontrolle über sich und die Situation zu wahren, wird sich nicht auf eine starke Frau einlassen, die ihm nicht die volle Sicherheit geben wird, die er braucht. An dieser Stelle kam mir dann ein Zitat von Benjamin Franklin in den Sinn: ‚Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.‘ Nur muss es in deinem Fall andersrum heißen: Wenn du die Sicherheit aufgibst, um deine Freiheit zu behalten, wirst du beides verlieren.
Du willst keine Fernbeziehung, du willst aber auch deine Freiheit nicht aufgeben. Du magst mich sogar sehr, aber es könnte in ein paar Wochen ja vorbei sein… Widersprüche über Widersprüche. Da es für alles einen Grund gibt, werde ich mir keine Gedanken darüber machen, was passiert wäre, wenn ich nicht nach X gezogen wäre und in Y geblieben wäre. Und wenn es für alles einen Grund gibt (die einzige „Religion“, an die ich glaube), wird irgendwas schon richtig daran gewesen sein, als ich den Geistesblitz hatte wegzuziehen. Obwohl ich noch so unendlich viele Fragen an dich habe und dir noch so oft sagen möchte, dass das mit uns was ganz Großes werden könnte, werde ich mich vorerst in Schweigen hüllen. Vielleicht habe ich auch zu viel investiert, zu viel Gefühl gezeigt. Aber ich kann mir nicht vorwerfen, nicht gekämpft zu haben und der elendige Gedanke von ‚was wäre gewesen, wenn‘ wird auch noch verblassen.“
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