Ich höre Geräusche der Verzückung hinter mir. Das passiert in letzter Zeit öfter, wenn ich die Straßen entlang gehe. Personen jeden Alters sagen „Ohhh, süß!” und bleiben mit ihren Blicken in Höhe meiner Waden hängen. Mein Nachbar ruft seit Neuestem „Da ist ja mein Mädchen!” vom Balkon. Die Begeisterung gilt jedoch weder mir, noch meiner Waden, sondern meiner vierpfotigen Begleitung namens Bonnie. Würde ich für jedes „Sieht aus wie ein Fuchs” einen Euro bekommen, würde ich einer eventuellen Altersarmut weitaus gelassener entgegensehen. Aber darum soll es jetzt nicht gehen. Seit genau drei Monaten bin ich Hunde-Mommy und helikoptere um einen Corgi herum. Den Wunsch, mein Leben mit einem solchen zu teilen, hatte ich schon sehr lange. Dass ich diesen nun in die Realität umsetzen würde, sorgte für viele Fragen innerhalb meines Umfeldes. Ob ich mir der Verantwortung bewusst sei, ob ich mich wirklich für eine sehr lange Zeit jeden Tag um ein anderes Lebewesen kümmern möchte, ob mir auch die finanziellen Konsequenzen meiner Entscheidung bewusst wären. Ich nickte brav und fragte mich, ob ich mich mit derlei Fragen konfrontiert gesehen hätte, wenn ich, eine immerhin 35-jährige Frau, verkündet hätte, dass ich menschlichen Nachwuchs erwarte. Vermutlich nicht. Corgis haben den Ruf, sehr lebendig und wild zu sein. Unser Hundetrainer freute sich beim Kennenlern-Telefonat auf unsere Zusammenarbeit, denn diese Rasse wäre so ganz „ursprünglich und aufgeweckt.” Dieses Memo scheint mein Exemplar nicht bekommen zu haben, denn Bonnie liegt am liebsten irgendwo drunter und entspannt in Rückenlage. Daher haben wir auch einmal unser Training fast verschlafen und mussten dieses dann abbrechen, weil Bonnie noch zu verpeilt war. Vielleicht hing es auch mit dem anderen Ende der Leine, also moi, zusammen.
„Seit genau drei Monaten bin ich Hunde-Mommy und helikoptere um einen Corgi herum. Den Wunsch, mein Leben mit einem solchen zu teilen, hatte ich schon sehr lange.“
Wie jede Erstlingsmutter habe ich mich bereits vorab mit den großen Themen beschäftigt: die F- und die B-Frage. Natürlich würde mein Hund Trockenfutter bekommen, denn das ist praktisch und genauso gut wie anderes Futter. Und ein Hund im Bett? Das lehnte ich kategorisch ab, schließlich kann man auf dem Boden ja auch gut kuscheln. Nach der ersten Nacht fragte mich meine Nachbarin, ebenfalls Hundemutter, wo Bonnie geschlafen hat. Tja, was soll ich sagen? Weder in ihrer Hundehütte, noch in ihrem ergonomischen Hundebett. Und was die Fütterungsfrage angeht, so prophezeit mir meine Schwester, dass ich bald nicht mehr auf fertiges BARF vertrauen, sondern selbst schlachten würde. Wie ich das alles rechtfertige? Mit meiner absoluten Disziplinlosigkeit hinsichtlich dieser Dinge, meinem weichen Herz und der Auffassung, dass es sich für Bonnie lohnen muss, der Einzel-Corgi einer solitären Frau zu sein. Dem gestrigen Shrimps-Ananas-Eis nach zu urteilen, tut es das. Meine Mama fragt oft, ob ich nach drei Monaten denn schon einen Charakter ausmachen könnte. Die Tochter meiner Cousine hat nach dem ersten Treffen unter Tränen der Enttäuschung festgestellt, dass Bonnie ziemlich „lahm” ist und das stimmt, jedoch gehen unsere Meinungen hinsichtlich dieser Tatsache weit auseinander. Dieser entspannte Gemütszustand ist jedoch stark von der Umgebung abhängig. Bonnies Safe Place ist unsere Wohnung, wobei sie die Lage absolut nicht mag.
„Wie jede Erstlingsmutter habe ich mich bereits vorab mit den großen Themen beschäftigt: die F- und die B-Frage.“
„Insgeheim denke ich sogar, dass sie denkt, dass sie „Super-Klasse” heißt, weil ich sie so oft lobe.“
Sie hat das harte Los gezogen, auf einer der beliebtesten Straßen dieser Stadt zu wohnen und sie ist kein Fan. Habe ich deswegen vielleicht schon mit dem Gedanken gespielt, in ein ruhigeres Viertel zu ziehen? Vielleicht, jedoch sind der Mietmarkt, meine finanziellen Möglichkeiten und meine starke Beziehung zu meinem Lieblingscafé dagegen. Das scheint auch Bonnie langsam zu verstehen und durchschreitet die Menschenmengen an einem Samstagabend immer selbstbewusster. Habe ich deswegen schon vor Stolz und Freude geweint, fast so, als hätte sie ein Mittel gegen Krebs gefunden? Auf jeden Fall. Insgeheim denke ich sogar, dass sie denkt, dass sie „Super-Klasse” heißt, weil ich sie so oft lobe. Auch, wenn ich nicht gefragt werde, würde ich die Lieblingsbeschäftigungen meines Hundes auf drei Dinge eingrenzen: Pfützen, Schlafen und Glotzen. Sie glotzt wirklich. Gestern beobachtete sie ein Pärchen, das vielleicht das erste Date hatte und seinerseits die Auslagen eines Schaufensters betrachtete. Als sich die beiden in eine Ecke zum Knutschen zurück zogen, konnte ich Bonnie davon überzeugen, den beiden etwas Privatsphäre zu gewähren. Außerdem haben wir diese Woche sehr lange die Müllabfuhr beobachtet. Ob Bonnie einfach betört von dem leicht gärigen Geruch der Biotonnen war, insgeheim einen Berufswunsch formte oder sich fragte, wie sie mehr Orange in ihre Garderobe integrieren könnte, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Sie wirkte jedenfalls sehr glücklich. Diesen Zustand erreicht sie auch, wenn sie bis zum Bauch in einer Pfütze steht. Letztens beobachtete sie ein kleines Mädchen, das mit seinem roten Fahrrad durch ihre Lieblingspfütze fuhr – ich konnte förmlich ihre Gedanken lesen und diese lauteten: „Scheiße, wo krieg ich so ein Ding her?”.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.