„Es gibt Menschen, die nutzen ihren wohlverdienten Urlaub um durch Asien, Südamerika oder den Hunsrück zu reisen. Ich nutze meinen Urlaub, um auf blöde Ideen zu kommen. Letztes Jahr ließ ich mir beim Putzen einen sehr schweren Gegenstand auf den Fuß fallen. Die folgenden zwei Wochen verbrachte ich im Bett und beobachtete das bunte Farbenspiel der Prellung. Das diesjährige Urlaubsprojekt lief unter dem wohlklingenden Arbeitstitel: Basenfasten. Weil ich es unbedingt richtig angehen wollte, eignete ich mir zuerst theoretisches Grundwissen zur Thematik an. Ich fand das ganze sehr interessant und während ich mir einen Teller Nudeln mit Pesto reinfuhr, pflichtete ich dem Buch bei: eine Woche für das eigene Wohlergehen. Das sollte einem der eigene Körper ja wohl wert sein. Ich träumte von mehr Energie, mehr Glow und weniger Speck. Und was wäre ein solches Projekt, ohne allen Mitmenschen vorher in epischer Breite davon zu berichten? Only half the fun! Meinen erst skeptischen Papa (Zitat: “Luise, Freizeit tut dir einfach nicht gut.”) überzeugte ich beim gemeinsamen Wochenendgroßeinkauf, mir auf dem Pfad zum „besseren Ich“-Folge zu leisten.
Während wir so durch die Gänge streiften, schworen wir all dem Gift, das wir in unseren Einkaufsladen luden (unter anderem eine Familienpackung Géramont, Salamisticks mit Walnüssen, die nie Zuhause ankommen sollten) schon ganz bald und entschieden zu widersagen. Das bald bedeutete bei mir 48 Stunden. 48 Stunden in denen ich mich benahm, wie ein Eichhörnchen. Ein sehr panisches Eichhörnchen, dem man erzählt hat, dass der bevorstehende Winter doppelt, ach was, dreifach so lang sein wird. Und dann begann sie, die Woche Null. Nach dieser Woche sollte nicht nur mein Säuren-Basen-Haushalt ganz im Gleichgewicht sein, ich erhoffte mir auch positive Auswirkung auf andere Bereiche meines Lebens: vorbei die Zeit der losen Ablage. Nie wieder Panik vor der Steuererklärung weil sämtliche Unterlagen sofort nach Erhalt in die entsprechenden Ordner geheftet wurden. Obwohl ich die fast vergessenen Postkarten von Verflossenen zwischen den Lohnabrechnungen sehr vermissen werde, aber gut.
Montag, der erste Tag startete mit der Erkenntnis, dass die bevorstehende körperliche Arbeit als Erntehelferin auf der elterlichen Holunderplantage mit meinem Vorhaben leider, leider nicht vereinbar sei. In der Mittagspause kam es dann mit meiner Mama fast zu einem kleinen Handgemenge um die vorbereiteten Schnittchen. Ob das noch an meinem Eichhörnchen-Modus oder an den hervorragenden Schnittchen-Skills meines Papas lag, ließ sich abschließend nicht zweifelsfrei klären. Am Dienstag sollte es dann aber losgehen. Denn jeder Tag kann der Tag zu einem großartigen Neuanfang sein. Ich war schon ganz wild darauf, mein theoretisches Wissen endlich in die Praxis umsetzen zu können. Dienstag machte ich einen kleinen Ausflug nach Potsdam. Als ich bei Banane und Basentee im Zug saß, zweifelte ich ob es sich denn schickte Kaffee und Kuchen abzulehnen, wenn man zu jenem eingeladen ist. Die eigene Unhöflichkeit fürchte ich noch viel mehr als Luftballons und das will was heißen.
Fazit: es macht einfach viel mehr Spaß über Basenkuren und Kefir-Leinmehl-Shakes zu fachsimpeln, wenn man dabei Kaffee trinkt und Mini-Eclairs isst. Immerhin lehnte ich die Käsesuppe ab. Und auch als Lieblingsmensch S. ankündigte für den Rückweg Piccolos zu besorgen, blieb ich eisern. Sein Fazit: “Ey, Luise. Dein Basenkram macht wirklich keinen Spaß.” Demnach war ich doch schon voll dabei. Mega, hab ich gar nicht so richtig mitbekommen, aber es muss wohl stimmen. Ich fühlte mich toll und sehr erhaben. Mittwoch erwachte ich dann mit einem richtigen Schädel und Rotz. Ersteres wurde im Buch bereits angekündigt aufgrund des vorgeschriebenen Kaffeeentzugs. Da ich diesen ja noch nicht angetreten hatte, schob ich es auf die Erkältung. Beim folgenden Mittagsdate entschied ich mich für stilles Wasser und einen Salat. Währenddessen und danach war ich sehr traurig. Die Trauer verging jedoch relativ zügig, als Zuhause die Packung Kinderriegel im Kühlschrank auf sich aufmerksam machte.
Also gut: Donnerstag. Das klingt doch einfach nach Neuanfang. Mein Körper sah das offensichtlich ganz anders und reagierte mit Husten. Sabotage von innen, sag ich nur. Der Wille war schwach und der Körper noch schwächer. Kaum war das Spaziergeh-Date mit Freundin M. und Lieblingsbaby abgesagt, standen beide mit Apfelmus, Auflauf und Brühe vor der Tür. Alles selbstgemacht. Ein Auflauf saved my life. Freitag dann also, aber wirklich jetzt. Es fing vielversprechend an. Rewe lieferte das bestellte Obst und Gemüse. Wer den Mindestbestellwert dort kennt, kann sich ausmalen wie viel Grünzeug ich nun im Haus hab. Frühstück und Mittag liefen wie am Schnürchen. Aufgeputscht von all dem Fruchtzucker, Schmerzmittel und Mittagsschlaf, saß ich abends leicht gelangweilt in meiner sauberen Wohnung. Samstag wollte ich dann endlich mal wieder kochen. Ein sensibles Thema.
Dass dieser Quinoa erst in einem Sieb gewaschen werden will und ich so ein Profi-Equipment nun mal nicht im Haus hab, kann nun wirklich nicht meine Schuld sein. Eingebildeter Typ, dieser Quinoa. Ist es dann also doch wieder die Nudel geworden, die gute alte Freundin. Da der Tag basentechnisch ohnehin gelaufen war, fiel der nachmittagliche Cupcake und Chai-Latte nicht so ins Gewicht. Immerhin wurde beides an der frischen Luft verzehrt und die ist ja bekanntlich gut für kranke Kinder. Der Sonntag ist heilig, nicht meine Idee. Ich nutze ihn meistens für ein Kaffeekränzchen im Lieblingscafé. Mehr sag ich nicht. Der Wochenbeginn verlangte dann nach einem kleinen Ausflug mit meiner Schwester. Als wir mit dem ganzen Nichts, das wir den Schweden abgekauft hatten wieder im Auto saßen und ich genüsslich in meinen Daim-Riegel biss, zog ich ein Resümée meiner hinter mir liegenden Basenwoche und befand, dass ich mir dieses Kunstwerk aus Schokolade und Karamel durchaus verdient hatte. Ihr Kommentar: “Luise, deine Basenwoche geht noch bis morgen.” Mist.“
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