„Good times, these are the good times. Leave your cares behind, these are the good times“ sang die Band „Chic“ im Jahr 1979 und schickt uns mit diesem Song auf unser Leipziger Mikroabenteuer an diesem Sonntag. M. zeigt mir seine neu entdeckte Playlist mit dem Titel „Burn Baby Burn, Disco Inferno“, während die sonnigen Felder rauschend an uns vorbeiziehen. Wir genießen es und spüren wie die verlorene Energie der letzten Wochen zurückkehrt. Vielleicht liegt das aber auch am YMCA-Song. Es ist uns natürlich bewusst, dass während eines Lockdowns und einem Bewegungsradius von 15 Kilometern nicht viel Abwechslung für kleine Ausflüge bleibt. Trotz aller Bequemlichkeiten und Freiheiten, die wir in unserem Alltag genießen dürfen, nagen graue und verregnete Tage und die Monotonie an uns. Auch an meiner Fantasie, meinem Optimismus und meiner Energie knabberten die vielen Wochen immer wieder kleine Stückchen ab. Wir kennen diese Tristesse und finden uns alle damit mal mehr und weniger gut ab.
Auf dem Weg zu unserem Ziel sprechen wir über die Dinge, die wir am meisten vermissen und, was wir gern wieder erleben würden, wenn wir kurz ins Jahr 2019 hüpfen könnten. Doch wir entscheiden uns gegen hängende Mundwinkel und rufen zu mehr Mikroabenteuern in der Umgebung auf. Dass dieser Begriff längst zu einer kleinen Bewegung wurde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Wie würdest du diesen Begriff definieren, frage ich ihn? Während die Aufnahme „Am Teich“ startet, sagt er: „Man fährt irgendwohin, wo man noch nicht war oder probiert etwas, was man noch nie gemacht hat.“ Er selbst sprach mit einem Freund darüber, dass es in Zeiten wie diesen wichtig ist, sich eigene Highlights zu setzen, achtsam zu sein und Dinge zu finden, auf die man sich freuen kann, weil sie einen durch die Woche tragen. Wir kennen es: Gefühlt ist jede Woche gleich, wir sind viel Zuhause, sehen wenig bis gar keine Freunde aber, wenn wir dann doch etwas unternehmen, soll es aufregend – und vor allem auch unkompliziert sein. Ein Mikroabenteuer eben.
„Was macht für dich ein Abenteuer aus?“ „Glückshormone, das damit verbundene Hochgefühl, die Neugier des Neuen… aber nicht die Entfernung.“
„Vielleicht fährt man mal mit dem Fahrrad an einen See, an dem man noch nicht war anstatt zum zehnten Mal zum Cossi oder entdeckt neue Stadtteile – ich mein: Wie gut kennt man schon Mockau oder Gohlis?“ Wir geraten schnell wieder ins Schwärmen und stellen uns vor wie wir einfach in einen Zug einsteigen und noch nicht wissen, wo wir landen würden. Das holen wir irgendwann nach. Ein Abenteuer hängt schließlich nicht von der Entfernung zum eigenen Wohnort ab, ergänze ich und erinnere M. an unseren letzten Ausflug zum Zwenkauer See. Ja, ein Hochgefühl, das brauchen wir. Vielleicht geht es dabei auch um die Aufregung der ersten Male, einer völlig neuen Wahrnehmung, einem neuen Weg oder einer neuen Routinen für unseren Alltag.
So saugen wir an diesem Nachmittag mit unserem Blick alles auf, was wir finden können. Die naheliegende geräuschintensive Autobahn, den MDR-Turm am Horizont, das Völkerschlachtdenkmal in Miniformat, rennende Feldhasen oder gefrorene Tümpel – wenn wir nicht größtenteils damit beschäftigt waren, matschige Spuren zu umlaufen oder nicht stecken zu bleiben. Wir blicken hoch und finden unser Tagesziel: Die Kiesgrube in Kleinpösna mit ihren riesig aufgetürmten, hellen Kiesbergen und dem Tagebausee. Wir tänzeln um die Kieslandschaft, tippen mit den Schuhspitzen auf zugefrorene Pfützen, beobachten neugierig die brachliegende Bergbautechnik und packen unsere Kaffeetassen aus. So haben wir es von unseren Eltern gelernt. Ein Picknick im Freien mit einer süßen Überraschung in der Jackentasche. Wir geraten in langen Gesprächen vom Hundertsten ins Tausendste und merken nur anhand der Intensität der Sonne, dass es Zeit für den Rückweg wird. Ain’t no mountain high enough. Bis zum nächsten Sonntag!
[Fotos von Annabelle by Martin Magnet.]
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