Schenken ist ja immer so eine Sache. Es zählt ja immer die Geste, so sagt man zumindest, aber das redet man sich besonders gern ein, wenn das eigentliche Geschenk nicht so richtig überzeugt und man genau weiß, wo es die restliche Zeit verbringen wird: Im dunklen Schrank. Ich habe auch kürzlich jemanden beschenken wollen – als lieb gemeintes Dankeschön für die Unterstützung in der letzten Zeit, aber das ging irgendwie nach hinten los, im wahrsten Sinne des Wortes, wie sich bereits nach einigen Tagen herausstellen sollte. Aber von Anfang an. Da es mein Körper in letzter Zeit nicht leicht mit mir hatte, ich diese Werbung genau einmal zu viel auf Instagram gesehen hatte und auch, weil mich mein Kollege mit der Idee angefixt hatte, beschloss ich eine Saftkur zu machen. Als Geschenk an mich und meinen Darm. Herzlichen Glückwunsch. Fünf Tage lang würde ich mich nur von kaltgepressten Säften ernähren. Damit hat wirklich niemand gerechnet. Besonders nicht mein Darm. Natürlich habe ich mich im Vorfeld vor allem über die sich einstellenden Ergebnisse informiert. Von wegen, der Weg sei das Ziel. Das Ziel ist das Ziel, ist das Ziel. Mir wurde mehr Energie, Glow, insgesamt ein Zugewinn an Wohlbefinden und Fokus im Hirn versprochen. Als hätte ich bei dieser Zukunftsmusik die Saftkur nicht schon längst in den Warenkorb gepackt, so machte die Aussicht, dass das erste Dinner nach der absolvierten Saftkur einer Geschmacksexplosion gleichen würde, den Deal perfekt.
Hingegen meiner letzten Fasten-Erfahrung, war ich diesmal nicht alleine. Ich würde meinen Kollegen an meiner Seite wissen und wir würden gemeinsam den Weg zum gesunden Ich bestreiten. Was könnte da denn noch schiefgehen, denn “There is no I in team”, so heißt es doch?! Nicht wahr, T.?! Die Theorie besagt auch, dass vor der Saftkur mehrere Entlastungstage sinnvoll wären. Diese sollten Samstag beginnen. Eigentlich. Habe ich aber kurzfristig verschieben müssen, denn Croissants sind kein Bestandteil der entlastenden Tage. Hat mich persönlich auch sehr überrascht, das gebe ich zu. Sonntag sollte es dann aber losgehen. So richtig mit Glauber-Salz und dessen durchschlagender Wirkung. Ich sag mal so: Ich saß den ganzen Nachmittag Zuhause rum, während draußen die Sonne schien. So muss man sich fühlen, wenn man hochschwanger die Wohnung nicht verlassen will, weil man Angst hat, die Fruchtblase könne in der Öffentlichkeit platzen und man das lang ersehnte Wunschkind dann im Busch zur Welt bringen muss.
„So muss man sich fühlen, wenn man hochschwanger die Wohnung nicht verlassen will, weil man Angst hat, die Fruchtblase könne in der Öffentlichkeit platzen und man das lang ersehnte Wunschkind dann im Busch zur Welt bringen muss.“
Auf Sonntage folgen unwillkürlich Montage und da findet bei uns im Büro immer Burger-Monday statt. Also für mich und meinen Kollegen. Und nichts ist in Deutschland so viel wert wie die Tradition, anders kann ich mir Absurditäten wie Oktoberfest oder den Hype um Spargel nicht erklären. Deswegen haben wir aus den ENTlastungstagen kurzerhand BElastungstage gemacht und haben unseren Körpern nochmal einen Overkill an Zucker und Kohlenhydraten zugemutet, damit der kalte Entzug auch richtig schön reinkicken kann. Dienstag ging es dann also los. Der Tag startete mit dem ersten von insgesamt sechs verschiedenen Säften, die ich in einem Abstand von zwei Stunden zu mir nehmen durfte. Alle sahen aus wie frisch aus einer Pfütze geschöpft, aber das sollte sicher so. Wir waren gut gelaunt und fast hysterisch. Lag sicher daran, weil sich unsere Körper fragten, was der Scheiß denn solle.
Mittwoch hatte sich das Fasten-Team doch recht stark dezimiert, denn mein Kollege hatte am Abend mit seiner Familie zu Abend essen müssen. Game over. Ich hingegen saß alleine Zuhause und würgte den diesmal beigefarbenen Saft, der durch eine dicke, fragwürdige Konsistenz bestach, herunter. Danke für nichts. Neben dem Gefühl alleine gelassen worden zu sein, stellte sich am Mittwoch auch wasserfallartiger Durchfall ein. Und etwas das wesentlich kürzer anhalten sollte: ein Stimmungshoch, das fast manische Züge hatte. Ich war viel zu früh wach und so unfassbar energiegeladen, fast überdreht, dass zum einen nichts tun konnte und mich zum anderen sehr nervte. Mein Kopf war so wach, mein Körper war so müde. Dieser Zustand hielt ungefähr drei Stunden an. Der Durchfall blieb. Danach fiel ich in ein Loch der absoluten Verzweiflung und des Hungers. Ich schaute mir Videos von Bloggerinnen an, die die Saftkur, welche ich in mich rein zwang, anpriesen und strahlend beteuerten, dass sie während der fünf Tage wirklich keinen Hunger hatten. “Elende Lügnerinnen” zischte ich und riss mich zusammen, meinen Laptop nicht aus dem Fenster zu schmeißen.
„Ich tat mir so unendlich leid, schüttete die Säfte aus purem Trotz in mich rein und hatte unfassbar schlechte Laune.“
Donnerstag sinnierte ich darüber, dass wirklich niemand merken würde, wenn ich heimlich Zuhause etwas essen würde. Das ist doch der Vorteil am alleine wohnen. Aber etwas in mir weigerte sich. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es mein eiserner Wille war, der mich davon abhielt, mir heimlich meine geliebte Pizza Pasta zu kaufen und diese in der Badewanne zu essen. Klar hielt mich etwas zurück, aber es war meine Sturheit und die ist vom eisernen Willen etwa das, was die große Schwester von nett ist. Am Donnerstag betrat aber noch eine andere Bekannte die Bühne: Meine Menstruation. Hello dear friend! Ich hatte also nicht nur Hunger, Durchfall, sondern menstruierte auch noch. Wenn es eine Göttin gibt, dann frage ich mich, wieso sie mich so bestrafte, denn immerhin halte ich mich für ein Million-Dollar-Babe, also karmisch gesehen. Nun ja. Da meine Sturheit übernommen hatte und ich eigentlich nur noch Nebendarstellerin meines eigenen Lebens war, fand ich mich am Freitag dann heulend und in Embryostellung auf meinem Sofa wieder. Ich tat mir so unendlich leid, schüttete die Säfte aus purem Trotz in mich rein und hatte unfassbar schlechte Laune.
Samstag dann die Erlösung. Da sich weder Glow, noch Wohlbefinden eingestellt hatten, setze ich all meine Hoffnung auf die geschmackliche Explosion, die zünden würde, sobald ich meinem Körper feste Nahrung zuführen würde. Mein Geheimnis für einen gelungen Abend: meine Badewanne, Pizza Pasta und eine Tafel Rittersport in der Sorte gesalzene Mandel. Mein Happy Place und diese zwei Meisterwerke der Nahrungsmittelindustrie enttäuschen mich nie. Meine Geschmacksknospen tanzten zwar keinen Tango, aber sie wiegten sich wohlig hin und her und grinsten zusammen mit meinem Körper, weil nun alles wieder in bester Ordnung war. Ich konnte sogar mein Hirn hören, wie es dem Darm zu flüsterte, dass der Durchfall einzustellen sei, weil die Verrückte nun endlich wieder zur Vernunft gekommen sei.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.