Seine Kunst ist ein sensibles Konstrukt. Aufgetragen in Schichten. Zusammengestellt zu Collagen. Verfremdet. Herausgestellt. Ein Zusammenspiel von Formen und Farben. Manchmal muss sie länger ruhen und manchmal ergibt sie in wenigen Stunden ein Bild. Manchmal bleibt sie für immer in einem Schwebezustand. Körper. Strukturen. Anatomie. Typografie. Wortfetzen schwirren durch meinen Kopf im Atelier „Bildschriftlich“ von Stefan Gunnesch mitten in der Südvorstadt. Fetzen, die am Ende, ähnlich wie Stefans Kunstwerke, ihre eigene Ästhetik ergeben. In Braunschweig begann alles mit dem Diplom in Kommunikationsdesign und dem Schwerpunkt „Illustration und Buchgestaltung“. Ich muss schmunzeln. Ein richtiger Niedersachse. Schon deswegen hat sich Stefan den sächsischen Dialekt in seiner neuen Heimat gar nicht erst angewöhnt. Schon seit seinen frühesten Arbeiten lässt ihn die Technik der Collage, das Zeichnen und das Suchen nach einer Projektionsfläche nicht los.
Mit dem Diplom in der langen Manteltasche verschlägt es Stefan nach Halle an die Kunsthochschule Burg Giebichenstein und später mit dem Köfferchen weiter nach Leipzig. Eigentlich sollte er nur seine neuesten Arbeiten vorstellen, doch die Hochschule möchte Stefan behalten und bietet ihm nach zwei Wochen einen Lehrauftrag. Ganze sechs Jahre vergehen an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, in denen Stefan die Studierenden, ihre Projekte und Messeauftritte betreute. Die Lebendigkeit und Internationalisierung des Ortes zogen ihn an. Kein Wunder, dass es ihn in den letzten Jahren als Erasmusbeauftragter der Hochschule kurzzeitig nach Oslo verschlagen hat, um den Erasmusvertrag der Partnerstädte zu erneuern. Beeindruckend? Oh ja.
Doch zurück nach Leipzig. Der große Tisch im Atelier ist bepackt mit Pinseln, Linealen, fertigen Werken, dieser Folie, mit der man so gern in den Händen spielt und den neuesten Postkarten. Als „Edition Bildschriftlich“ publiziert Stefan eigene Künstlerbücher, die ausschließlich als limitierte Auflagen entstehen und in internationalen Ausstellungen und renommierten Museen zu sehen sind. In diesem Jahr schaffen es seine Collagen im „Freud on the Couch: Psyche in the Book“ als Ausstellungsbeteiligung nach Minneapolis und New York. In der Kunstszene hat sich dieser talentierte Mann längst einen Namen gemacht und zuletzt 2017 den Förderpreis für junge Buchgestaltung erhalten. Jetzt bekommt auch Leipzig ein wenig von diesem internationalen Glamour ab und darf sich den Collagen von Stefan hingeben. Ganz ehrlich, ich kenne sie bis zu diesem Tag nur als Foto bei Instagram. Erst jetzt, wenn ich vor diesen zarten Werken stehe und die säuberlich zerschnittenen Fragemente sehe, erkenne ich, was Stefan mir zu erklären versucht.
Verschiedene Texturen und Ebenen bauen aufeinander auf. Das Ausgangsbild wird Schicht für Schicht verändert und weiterentwickelt. Zuerst wird dieses Bild zerstört und zerschnitten. Dann wieder zusammengefügt. Woran Stefan dabei denkt? Meistens verarbeitet er mit seinen Collagen Erinnerungen und persönliche Momente, die ihn nicht loslassen. Am Ende erzählt das ursprüngliche Bild eine ganz andere Geschichte. Ob er manchmal Collagen verwirft? „Wenn sie nicht mit mir sprechen, lass ich sie ruhen und arbeite später an ihnen weiter. Manchmal passiert auch gar nichts“. Mein Blick fliegt über die verpackten Bilderrahmen. „Wieso zeigen die Collagen eigentlich nur männliche Körper?“ Stefan lacht aber es liegt in der Natur der Dinge. „Nun, ich setze mich mit dem männlichen Körper zwangsläufig mehr auseinander. Aber es sind genauso auch Frauenportraits zu finden.“ Das Unvorhersehbare ist das Spannende an seiner Arbeit. Mal hell, mal düster. Mal versehen mit einem flächigen Farbauftrag, mal mutwillig platzierte Kleckse. Mal harte Konturen, mal dominante Flächen. Alles ist ungewiss.
Das FANG Studio in Reudnitz holt diesen wunderbaren Künstler endlich ins Leipziger Rampenlicht mit seiner ersten Ausstellung vom 13.-28. September 2018 auf Leipziger Boden. „ABSTRACT BEAUTY“ zeigt bewusst keine Kunstbücher, sondern Stefans zeitlose, sehr ästhetische Collagen und dabei neueste, bislang nicht ausgestellte Arbeiten. Wie es zu dieser Kollaboration kam? „Paul und Antje haben mich einfach auf Instagram angeschrieben und gefragt“ – so einfach kann es eben sein. Das FANG Studio, als Ort für Raritäten, Grafik und Kunst passt ganz hervorragend zu der Idee Stefans erste Soloausstellung zu beherbergen. Denn am Anfang wird auch dieser Raum in seiner Ursprünglichkeit auseinandergenommen, bis auf die Grundmauern entkernt und anschließend Schicht für Schicht mit neuen Geschichten befüllt. Fast genau wie Stefans Collagen. Am Ende entsteht etwas Größeres. Genug erzählt, man muss es einfach selbst gesehen haben.
ABSTRACT BEAUTY by Stefan Gunnesch
13.-28. September 2018
Öffnungszeiten im FANG Studio
Di & Do von 9 bis 18 Uhr
Mi & Fr von 9 bis 16 Uhr
Sa & So von 13 bis 17 Uhr
und nach Vereinbarung
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.