Hey 2020, da bist du ja endlich. „Happy Neues“ und gib jedem Tag die Chance der beste deines Lebens zu werden, bla bla. Während ich Ende des Jahres, auch berufsbedingt nur ums nackte Überleben kämpfe, zwischen Weihnachten und Neujahr wie ein geköpftes Huhn durch die Woche irre, mich frage, welcher Tag denn nun ist und einfach nicht klarkomme, so versprüht das bevorstehende Neujahr doch irgendwie eine Art Glanz. Ich werde ganz andächtig, wie beim Anblick der goldenen, makellosen Folie vom Nutella Glas und frage mich, ob ich diese ganz vorsichtig und ordentlich ablösen oder meinen Finger durch die Folie rammen soll. Nimm, das du perfekte Folie. Jetzt hast du ein Loch im hübschen Gesicht. Macht so irgendwie ja auch mehr Spaß. Also mir zumindest. Wieso, frage ich mich außerdem, bin ich ab dem ersten Januar gewillter und motivierter jeden Tag zum schönsten meines Lebens zu machen, eine bessere Version meiner selbst zu kultivieren, mit mehr Sport, besserer Haut, mehr Achtsamkeit und grünen Smoothies? Vielleicht sind Dinge, wie der neue, ganz blanke Terminkalender schuld. Oder aber auch Instagram mit all den Detox-Kuren, Apps für Meditation und Intervallfasten und abgestimmten Pflegeprodukten für die perfekte Beautyroutine.
Und während ich das ein oder andere Beautyprodukt in Warenkörbe lege und nie zur Kasse gehe, meine Yogamatte mal ganz kurz aus der Nähe betrachte, weiß ich, dass das alles Quatsch und leere Versprechungen sind. Auch der neue Terminkalender wird sich mit To-Do Listen füllen. Auch die Neujahrsmotivation wird sich als flüchtig erweisen. Ähnlich wie der regelmäßige Wunsch mir die Haare lang wachsen zu lassen. Ich brauche keinen Jahreswechsel, um an meinen eigenen Vorsätzen zu scheitern, denn das krieg ich auch gut im zweiten, dritten und auch im vierten Quartal des Jahres hin. Diese drei Kilo abnehmen, damit das Kleid noch ein bisschen flattriger sitzt. Dazu brauch ich keine App, müsste aber mal auf die abendliche Portion Pasta und Vino verzichten. Mal endlich alle Schränke sortieren und wirklich Ordnung schaffen, statt immer zu hoffen, dass niemand in die Schränke guckt. Aber mal ehrlich, wer öffnet denn die Schränke, wenn man woanders zu Besuch ist? Richtig, Leute die nach so einem Fauxpas nicht mehr eingeladen werden. Bei Dingen, die mir nicht so wichtig sind, bin ich furchtbar disziplinlos und genieße das aber auch sehr.
Als Hauptbeweisstück dient meine Karriere als Karteileiche unzähliger Fitnessstudios. Ich habe es wirklich mit allen und allem probiert. Zuerst das günstige Studio, weil es dann nicht so schlimm wäre, wenn ich nicht regelmäßig sportel. Die Folge: ich war Karteileiche. Dann das teure Studio, damit es wehtut und ich deswegen hingehe. Das ganze hab ich sogar zweimal versucht. Erst im eher fancy Studio mit Pool und Sauna, um mich nach dem Sport mit Wellness zu belohnen und dann im eher gesundheitlich ausgerichteten Studio, weil mein Rücken muss es mir doch wert sein, verdammt. Spoiler: Es hat beides nicht funktioniert! Die Folge: Meine insgesamt vier Besuche dort waren runtergerechnet sehr teuer und ich war trotzdem Karteileiche. Dann die Idee mit einer Freundin zusammen zu gehen, denn geteiltes Leid und so. Der Anfang war vielversprechend, leider pflegen wir beide recht intensiven Kontakt zu unserem inneren Schweinehund. Die Folge: Wir haben kaum noch Kontakt und ich war Karteileiche. Und so habe ich in all den Jahren einiges verloren: Geld, Freundschaften und Muskeln, die ich nie hatte. Wenn ich die Beiträge mal grob addiere, hätte ich meinem Po-Fett auch eine Umschulung zum Sixpack finanzieren können, wenn ihr wisst, was ich meine. Und auch wenn ich weder meine Bauchmuskeln, noch meinen Bizeps gestählt habe, so habe ich etwas anderes perfektioniert: Kündigungsschreiben. Schluss machen mit Sportclubs, das kann ich. Oft schreibe ich, dass es an mir liegt und das entspricht ja auch der Wahrheit. Oftmals ende ich mit dem Hinweis, dass ich auf jeden Fall und ganz sicher zurückkäme, falls ich mal wieder Sport machen wolle und der Schweinehund endlich besiegt sei. Das ist zwar gemein, weil mein Schweinehund und ich ganz genau wissen, dass das nie passieren wird, aber ich möchte ja auch ein bisschen Trost spenden, ob dieses furchtbaren Verlustes meinerseits und meiner Kohle. Ich bin ja kein Monster.
Kleiner Insidertipp am Rande: Tinte auf blütenweißem, dickem Papier. Ein bisschen Prosa, die über das übliche “hiermit kündige ich…” hinaus geht. Der Knaller. Zwar habe ich so die Beiträge trotzdem nicht erstattet bekommen, aber ich bin fast sicher, dass einige meiner Schriftstücke gerahmt in Büros hängen und mein Bild in fitnessökonomischen Nachschlagewerken zum Thema “Die Pfeiler unseres Erfolgs: Karteileichen. Eine Abhandlung am Beispiel der Luise R.” zu sehen ist. Vielleicht sollte ich diesen Service einer breiten, zahlungskräftigen Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Damit es doch noch was wird, mit all den Sachen, die ich mir nicht geleistet hab, weil ich die Fitnessbranche Leipzigs am Leben hielt: dem Urlaub, der Eigentumswohnung und den Bauchmuskeln made of ass. In diesem Sinne: genießt euren kostenlosen Probe-Schnupper-Monat im Fitti.
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