Traditionen sind ja durchaus auch etwas Schönes. Sie spenden Struktur und auch Trost. Sieht meine gute Freundin Taylor Swift auch so und veröffentlicht nach jeder Trennung ein neues Album. Und auch wenn ich der Swift’schen Angewohnheit nicht vollends folgen möchte, vor allem aus Angst, dass mich dann erst recht niemand mehr daten will, so hat mich das kürzlich Erlebte zu einer kurzen Selbstreflektion bewogen. Gerade, weil ich dieser selbsttherapeutischen Bewältigungsstrategie doch sehr viel abgewinnen kann. Herzlich willkommen also zur kleinen Therapiesitzung. Schön, dass ihr da seid, nehmt doch gerne Platz. Vor etwa vier Monaten, pünktlich zum zweiten Lockdown, ergab ein Date ganz untypischerweise das nächste und nach einer relativ kurzen Zeit der Anbahnung stand ich am Beckenrand namens Beziehung, hatte eine vermeintliche Dauerkarte geschenkt bekommen. Ich überlegte, ob ich kopfüber rein springe, so richtig mit Anlauf und ohne Nase zuhalten, oder, ob ich mich diesem zwar bekannten, aber dennoch für mich mit vielen Issues behafteten Gewässer eher vorsichtig nähere. Da mir ein Kopfsprung, aufgrund der Angst einen Bauchklatscher zu machen, mein Bikinioberteil zu verlieren oder einen tödlichen Herzinfarkt zu erleiden – im schlimmsten Fall würden alle drei Szenarien gleichzeitig eintreten – doch zu unsicher war, entschied ich mich für die sicherere Variante. Schließlich war ich schon lange nicht mehr schwimmen. Vielleicht hätte ich einfach geschubst werden müssen. Wurde ich aber nicht.
Also war mein Plan erstmal den großen Zeh reinzuhalten, alle Extremitäten mit dem kühlen Nass zu benetzen, vor allem aber mein kleines Herz. So könnten sich alle am Badespaß-Beteiligten an die neue Temperatur gewöhnen. Meine Taucherbrille setzte ich auch noch auf, zur Sicherheit. Sie hatte ziemlich dicke, rosa Gläser. Als das Wasser mir etwa bis zum Bauch reichte und somit noch recht weit entfernt vom Herzen war – und bald haben wir es auch mit den sprachlichen Bildern geschafft – traf mich der Satz “Ich bin einfach nicht verliebt in dich” ziemlich überraschend, aber dennoch wohl eher am Kopf. Ich hatte meinen Schwimmpartner gerad gefragt, ob er auch einen Kaffee trinken möchte und eher mit einem ja, nein, vielleicht bezüglich des Heißgetränks, nicht aber zu meiner eigenen Person gerechnet. So standen wir ziemlich blöd da, der Kaffee, meine Taucherbrille und ich. Also wieder raus aus dem Wasser und Taucherbrille absetzen, wie schade. Jetzt habe ich so einen hässlichen Abdruck im Gesicht und stehe viel zu plötzlich wieder am Beckenrand. Nun könnte ich dem ersten Impuls folgen und mich fragen, wieso genau ich des Beckens verwiesen worden war, ob und was ich falsch gemacht hatte. Ich könnte nach Gründen suchen, wieso mir kein Kopfsprung gelungen war. Ob es vielleicht an meiner dicken Rettungsweste lag, die ich noch hastig angezogen hatte, um bloß nicht wieder zu ertrinken? Ich könnte mich fragen, wieso meine rosa Taucherbrille so viel fester auf meinem Gesicht saß als auf seinem. Ich könnte all diese und noch viel mehr Fragen neben meinem Handtuch am Beckenrand ausbreiten, sie mit einer Lupe untersuchen und wie beim Memory auf die passende Antwort unter dem nächsten Gedankenschnipsel, den ich umdrehen würde, hoffen.
Dieses Spiel würde ich dann sehr lange, mit wechselnder Getränk- und Spielbegleitung durchzocken. Aber erste Impulse sind manchmal nicht die besten Ratgeber und so begrüße ich diese Gedanken zwar, da ich sie nur viel zu gut kenne und zeige ihnen dann den direkten Weg aus meinem Kopf. Weil sie überflüssig sind, weil es die falschen Fragen sind, so sehr ich den melodramatischen Trennungsansatz manchmal auch zu schätzen weiß. Das erste Mal in meinem Leben weiß ich nämlich, dass ein “Ich bin nicht verliebt in dich” nicht das Geringste mit meinen Gefühlen und meiner Liebe zu mir zu tun hat, da es völlig verschiedene Dinge sind. Natürlich ist es ein bedauernswerter Umstand, der schmerzt, wenn da erst plötzlich jemand da ist, das eigene Leben und Charakter inspiziert und dann “Danke, aber nein” sagt. Es ist bedauernswert, aber auch nicht mehr als das, denn wie das nun mal in einer richtig guten, stabilen Beziehung so ist, kann dieser auch kein Dritter etwas anhaben. Ach, hätte ich das nur schon viel früher gewusst. Mein Bikini trocknet langsam, die Wasserpfützen um mich rum verflüchtigen sich, die Gläser meiner Taucherbrille werden wieder klar und ich sehe mich um und muss grinsen. Eines darf man bei all dem Badespaß nämlich nicht vergessen: Der Beckenrand ist auch ziemlich schön, denn nur hier gibt es Pommes Schranke, süße Tüten, den besten Gossip und kühle Getränke. Sieht meine Freundin Taylor sicher auch so.
[Brille „THE GLAMOROUS“ by VIU EYEWEAR. Mantel by MINKA MEGA SALE. Hair by GSF.]
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