Ich habe Angst, diese Kolumne zu schreiben, obwohl ich weiß, dass ich sie schreiben muss – ich kann es fast körperlich spüren, aber vielleicht verwechsle ich hier verbale Verstopfungen mit Schmetterlingen im Bauch, schließlich sind es beide Dinge, deren Existenz nicht zweifelsfrei belegt ist. Hätte ich seit mehreren Wochen Liebeskummer, hätte ich vermutlich bereits mehrere Texte dazu verfasst und diverse Lieder komponiert, wäre ich denn musikalisch. Über das Verliebtsein zu schreiben, fällt mir jedoch sehr schwer, obwohl es der definitiv schönere Zustand ist, so sagt man. Vielleicht weil ich so wenig Erfahrung mit dem glücklichen Verliebtsein und Angst habe, dieses kleine, zarte Glück zu gefährden, wenn ich es einmal in die Welt getragen habe. Aber da es bereits einige Versuche der Selbstsabotage meinerseits überstanden und Bonnie auf den Teppich des am Verliebtsein Beteiligten gepinkelt hat, scheint dieses kleine Glück robust zu sein. Fingers crossed!
„Aber vielleicht verwechsle ich auch hier verbale Verstopfungen mit Schmetterlingen im Bauch, schließlich sind es beide Dinge, deren Existenz nicht zweifelsfrei belegt ist.“
Aber von Anfang an: Ich habe Erfahrungen im Verliebtsein. Im einseitigen Verliebtsein, wobei ich immer die eine Seite war. Ich kenne mich auch im unglücklich Verliebtsein aus. Wäre das ein Studiengang, so wäre meine akademische Karriere sicher anders verlaufen und ich könnte eine Professur mein eigen nennen. Rückblickend frage ich mich, wieso ich nie zu „Wetten dass, …” gegangen bin, denn ich habe, wie viele meiner Freundinnen, ein besonderes Talent: stell mir zehn Männer vor und ich finde das emotional nicht verfügbare Exemplar. Und date ihn und verliebe mich. Warte auf Antworten und Anrufe und bin mir ziemlich sicher, zu viel zu sein. Interpretiere Nachrichten, wie einst Gedichte im Deutsch Leistungskurs und führe klärende Gespräche, nach denen alles noch viel unklarer ist als zuvor. Klammere mich an Worte, denen keine Taten folgen und klebe irgendwann mein kleines gebrochenes Herz wieder zusammen.
Und jetzt ist nicht etwa das passiert, was man sich so erzählt, wenn eine Frau in ihren 30ern einen erwachsenen Mann trifft, der vor dem B-Wort nicht zurückschreckt. Ich habe nämlich nicht zuerst gelernt, mich aufrichtig, von ganzem Herzen und permanent zu lieben und habe auch nicht, nicht mehr damit gerechnet, jemanden kennenzulernen. Diese Erzählart widerstrebt mir, denn sie hat zumindest mir immer suggeriert, dass ich irgendwas tun muss, um liebenswert zu sein und dass ich zwingend so tun sollte, als würde ich mir keine Beziehung wünschen. Funktioniert genauso gut, wie auf Ansage nicht an einen rosa Elefanten zu denken und das Ding mit der Selbstliebe scheint ein lebenslanger Struggle zu sein, sorry. Ich habe mich jedoch mit meinen eigenen Beziehungsmustern auseinandergesetzt und festgestellt, dass es nicht etwa an einem bislang unerkannten Talent lag, emotional unverfügbare Männer anzuziehen, sondern auch an mir und meinen Beziehungsmustern.
Das tat ganz schön weh, denn es war irgendwie viel leichter, mit Freundinnen über die plötzlich ganz offensichtliche red flags, die ich vorher geflissentlich ignoriert hatte, zu diskutieren und dabei meine eigenen Unzulänglichkeiten in Beziehungsdingen unter den Tisch fallen zu lassen. Autsch. Denn mit den zielsicher ausgesuchten Kandidaten, die keinerlei Bindungsabsicht hatten, konnte ich in meiner eigenen Komfortzone bleiben, dabei meine Fassade aufrecht halten und nur so viel preisgeben, wie ich wollte. Ich habe mich selbst kuratiert und unterbewusst schon das Endergebnis gekannt. Das gab mir Sicherheit, wirkliche Nähe entstand dabei nie, welch Wunder. Außerdem führte es auch dazu, dass ich mich von meinem eigentlichen Wunsch nach einer stabilen Beziehung mit jedem neuen Date weiter entfernte und auch dazu, dass ich die vielleicht passenden Männer gar nicht sah. Ich sabotierte mich unbewusst selbst. Jemanden kennenzulernen, der eine erwachsene Beziehung mit mir führen will, machte mir fast mehr Angst, als Post vom Finanzamt.
„Ich sabotierte mich unbewusst selbst. Jemanden kennenzulernen, der eine erwachsene Beziehung mit mir führen will, machte mir fast mehr Angst, als Post vom Finanzamt.“
Nun ist er da und ich meine nicht diesen Umschlag aus leicht gräulichem Papier und einem Inhalt, dessen Bedeutung ich oftmals erst googlen muss. Er ist da und es ist erschreckend leicht. Das darf es, laut meiner Therapeutin auch sein und ich glaube ihr. Und ich fange auch langsam an, uns zu glauben und vor allem mir. Auch wenn dieser Zustand definitiv außerhalb meiner eigenen Komfortzone liegt, habe ich beschlossen, diese neu abzustecken. Schließlich fand ich in Beziehungsdingen dort bislang eher Drama, Schmerz und weniger Cozyness. Was ich in den letzten Wochen jedoch gefunden habe, überrascht mich sehr. Ich finde dort Besuche im Fotoautomaten und mich wie ich das wunderschöne, aber kitschige Ergebnis immer mal wieder grinsend betrachte. Ich grinse häufig. Ich finde kleine Dinge in meinem Briefkasten und lebe nun am Limit: Liebespost oder Post von einer Behörde – was wird mich erwarten? Ich gehe Hand in Hand spazieren. Ich schockiere meine Freunde mit der Offenbarung, dass ich mein Heiligstes teile: meine Bettdecke. Ihm habe ich bereits zu Anfang klargemacht, dass dies nie passieren wird. Waren wir beide dann doch ziemlich überrascht von mir. Ich koche, wesentlich schlechter und Nudel-lastiger als er, aber es ist ja kein Wettbewerb. Ich entdecke, dass es kein Zeichen von Abhängigkeit ist, Hilfe anzunehmen, sondern Beweis des anderen, den sweet words auch Taten folgen zu lassen. Ich finde heraus, dass ich all das verdient habe, auch wenn ich mich nicht jeden Tag toll finde. Und ich habe entdeckt, dass es einen riesigen Unterschied macht, wenn man eine Person nicht braucht, aber will.
Mehr über Luise gibt es unter @uhliese.
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