Geschichten erzählen, will gelernt sein. Das kann schließlich nicht jeder. Jemand, der aber diese Gabe in all den Jahren nie verlernt hat und bestens beherrscht, ist Thees Uhlmann. Egal, ob er nun singt, schreibt oder betrunken an der Bar, stets in Lederjacke, erzählt – man hört zu und will wissen, wie seine Geschichten ausgehen. Es schien auch niemanden auf den letzten Konzerten zu stören, dass die Redepausen immer länger als die Lieder selbst waren. Aber trotz den Tomte-Fangirl-Buchstaben auf der Stirn wollte ich mich nicht so richtig an das von ihm geschriebene Buch „Sophia, der Tod und Ich“ herantrauen. Es gestaltet sich doch irgendwie schwierig mit so jahrelangen Begleitern aus der Jugendzeit. (DJ Bobo war schließlich auch irgendwann nicht mehr cool und Kim Frank irgendwann nicht mehr so niedlich wie 2006.) Wir haben TOMTE immer laut gehört und laut mitgesungen. Das sind die Liedtexte, die man sich an die Wand schreiben konnte. Das sind Liedzitate, die man sich jetzt zu Hochzeiten weiterreicht. Da sind Momente, die einen immer an das Gefühl von früher erinnern. Immer. Das kann einfach nicht kaputt gemacht werden – und Thees von Tomte und den wunderbaren Jahren zu trennen, funktioniert eben auch nicht. Das Buch muss also gut sein! Ich für meinen Teil kann sagen: Das ist es! Warum ich das weiß? Weil man einmal damit anfängt und es bis zum Schluss durchlesen will. Zwei Tage! Es fühlt sich an, als würde man einfach einen guten Sonntagabend-Tatort oder Roadtrip-Film sehen, der in der TV Movie noch alle Sterne holen würde. Als würde man neben Sophia, dem Tod und dem Erzählen einfach mitlaufen…
Stell dir vor, an deiner Tür würde einfach so und ohne Vorankündigung der Tod klingeln – und schon beginnen die Fragen in deinem Kopf. Warum muss der Tod überhaupt klingeln? Muss ich überhaupt aufmachen? Ich erwarte doch kein Paket. Du öffnest dann doch widerwillig die Tür und bemerkst, dass dein Gegenüber dir auch noch ähnlich sieht. Huch! „Guten Tag. Eigentlich können Sie mir gar nicht helfen. Ich bin der Tod, und Sie müssen jetzt mitkommen“. Doch bevor es soweit ist, darf sich der Erzähler, der einen die ganze Zeit in seine Gedanken blicken lässt, noch etwas wünschen: „Okay, ich will eine Million!“. Der Tod verdrehte schon wieder die Augen. Er:“ Es gibt so viele schöne Dinge auf der Welt wie Moleküle, und jeder vierte Trottel wünscht sich eine Million“. Als wäre es nicht längst schon zu viel an einem beliebigen Tag vom Tod an der Tür überrascht zu werden, seinen eigenen Gedanken ständig nachzuhängen und betrübt bis lustlos auf sein bisheriges Leben zu blicken… bis auch noch deine große Liebe und Ex-Freundin wie durch einen noch größeren Zufall des Universums vor dir steht und den Tod bei seinem Vorhaben dich in den nächsten 3 Minuten mitzunehmen, unterbricht. Und jetzt? „Du bist mir gerade von der Schippe gesprungen“. Aber jetzt hängen alle drei in diesem Moment fest und auf einmal werden aus 3 Minuten ganze Tage… und aus einem Alltag aus Fußballspielen, Granulatkaffee, Altersheim, Postkarten schreiben an seinen 8-jährigen Sohn und dem ständigen Gefühl von Leere und Antriebslosigkeit wird ein Abenteuer. „Ich kaufte immer exakt dieselben Sachen im Supermarkt. Granulatkaffee, Äpfel, Küchenkrepp, eine Fußballzeitung, eine Automobilzeitung (obwohl ich kein Auto hatte) und Joghurt, denn ich mochte es, betrunken Joghurt zu essen, weil es mir vorkam, als ob Joghurt meine heißgetrunkene Leber kühlen würde. Ich mochte keines von diesen Produkten wirklich. Doch mir gefiel es, dass mir jedes einzelne zeigte, was für ein verlorener Idiot ich war“. Und, obwohl das Leben des Erzählers von größtem Desinteresse für seine gesamte Umwelt geprägt ist, lässt der Tod ihn spüren, worauf es wirklich ankommt und, was wichtig ist. Ich: „Du kennst und weißt wirklich alles, oder?“ „Man gibt sich Mühe“, sagte der Tod auffällig erregt. „Das Gute und das Schlechte?“, fragte ich. „Und jetzt sogar auch dich“. Was unternimmt man also mit dem Tod und seiner Ex-Freundin, für die man wieder zarte Gefühle entwickelt? Richtig, man stellt seine neuen Freunde seiner Mutter in der Heimat vor, die mehr als entzückt über diesen neuen und alten Besuch ist. Von Erdbeermarmeladen, blauen Flammen, „Wie schmeckt eigentlich Asphalt?“ und Linsensuppe wartet noch ein viel größeres Abenteuer… sich selbst zu finden und glücklich zu werden. „Es ist wie es ist. Und keiner kann es ändern“. Man kann eben nur seine Einstellung überdenken und versuchen die Melancholie manchmal ein wenig beiseite zu schieben, um weiterzumachen… „Sophia, der Tod und Ich“ ist ein großartiges Buch und voller Textstellen, die nur so von alten Tomte-Zeiten und Kindheitserinnerungen strotzen und keinesfalls abgedroschen klingen, sondern einen einfach nur zum Schmunzeln bringen. Am Ende bleibt die wichtige Frage: Enden die 3 Minuten vielleicht doch noch? Wer weiß…
[„SOPHIA, DER TOD UND ICH“ von Thees Uhlmann, KiWi, 2015]
Thees liest sich schon mal warm…
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