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6 Kommentare

Endlich Sonntag. Endlich wieder die neue Rubrik. Für diese Texte sollte man sich eine Tasse Tee kochen und Zeit nehmen. Mädchen und Jungen im besten Alter, Mitte 20, schreiben ihre kleine Geschichten und Erfahrungen. Alles für die Liebe. Wir sitzen immer wieder zusammen und erzählen, tratschen, diskutieren, klopfen uns auf die Schultern, werden manchmal laut, halten Hände, träumen mit, ermutigen und schmunzeln. Worüber man eigentlich die meiste Zeit redet? Es sind immer die Herzensangelegenheiten. Manchmal frisst uns dieses ganze Gerede über Liebe und Glücklichsein auf. Wir sehnen uns. Wir teilen die Welt in: Vergeben und Single. Wir verlieben uns. Wir erleben Abenteuer. Wir machen Dinge, die man besser nicht machen sollte. Am besten gleich doppelt. Wir lachen mit. Wir sind traurig. Wir runzeln mit der Stirn und hinterfragen uns: Würde man selbst auch soweit gehen oder wie würde man in dieser Situation handeln? Es kann unglaublich spannend sein von diesen persönlichen und ehrlichen Gedanken zu lesen. Ich will diese sammeln. Aus den verschiedensten Städten und Perspektiven. Was bewegt dich? In erster Linie bat ich liebe Menschen aus meinem Umfeld aufzuschreiben, was für sie Herzensangelegenheiten waren oder immer noch sind. Die Absicht dahinter wirkt: “Du hattest Recht. Es hatte einen kleinen therapeutischen Effekt. Das hätte ich nicht gedacht”. Alle Texte bleiben, wenn man möchte anonym und zeigen nur einen Gefühlszustand zum Zeitpunkt des Schreibens. Möchtest du auch ein Gastautor in dieser Rubrik werden, dann schreib an: liebesbrief@annabelle-sagt.de. Es folgt eine…

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Moralische Kartenhäuser

„Ich schaue aus dem Fenster und überlege. Wie schreibt man über die Liebe, wenn man selbst eigentlich keine genaue Vorstellung davon hat? Wenn im eigenen Leben so viel los ist, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll – und gleichzeitig keine Dramen passieren, die sich für eine tränenreiche Lovestory eignen?

Ich nehme einen Schluck Wein, zünde mir eine Zigarette an und denke über eine Redewendung nach, die mein guter Kumpel N. gern benutzt und die ich schon beim ersten Mal Hören erschreckend präzise fand. Er spricht von: „Moralischen Kartenhäusern“.

„Wenn ich in einer Beziehung bin, dann sind mir alle anderen Männer oder Frauen egal.“

„Klar – derjenige, mit dem ich zusammen bin, muss auch theoretisch der fürs Leben sein können.“

„Insgeheim wünschen wir uns doch alle jemanden, mit dem wir zusammen einschlafen können.“

Und wenn nicht?

Ich habe das Gefühl, der allgemeine Konsens sei immer noch: „Feste Zweierbeziehung, monogam, Erfüllung aller Träume. Jeder weiß, nur Monogamie funktioniert auf Dauer wirklich, in einer Beziehung solltest du immer abchecken, ob du theoretisch für eine lebenslange Bindung bereit wärst, es gibt nichts Schöneres, als jeden Abend mit dem gleichen Menschen einzuschlafen“.

Um den berüchtigten tumblr Spruch zu bemühen: „Be someone‘s Sunday afternoon, not someone’s Saturday night“. Je öfter ich solche Dinge höre, in Artikeln lese und auf inspirierenden Bildern mit händchenhaltenden Pärchen sehe, desto unsicherer werde ich, ob meine Sicht auf die Welt vielleicht einfach die Falsche ist.

Ich bin mit Menschen zusammen, weil ich es in dem Moment einfach schön finde. Das wissen diese Menschen auch. Ich bin nicht mit jemandem zusammen, weil ich ihn heiraten möchte. Sondern, weil ich ihn mag und seine Anwesenheit schätze. Überhaupt – dieses Heiraten. Ich habe es nicht vor, finde es unzeitgemäß und alleine die Idee einengend. Zudem bin ich ein Mensch, der gerne alleine ist. Ich komme hervorragend mit mir alleine klar, kann mich gut alleine beschäftigen und schlafe auch gern alleine ein. Auch wenn ich in einer Beziehung bin. Denn wieso sollte ich mich um 180° drehen, nur weil ich mit jemandem zusammen bin? Aus diesem Grund finde ich Fernbeziehungen auch völlig in Ordnung – manchmal. Klar, nerven sie auch. Aber ich sehe auch Vorteile und finde, dass manche Situationen einfach eine Fernbeziehung besser vertragen als das Wohnen in der gleichen Stadt. Monogamie muss übrigens auch nicht das Allheilmittel sein. Meiner Meinung nach ist alles okay, solange man ehrlich zueinander ist.

Nur warum erntet man immer wieder bestürzte Blicke, wenn man solche Ansichten äußert? Die klassische Zweierbeziehung mit dem Ideal der immerwährenden Liebe, Ergebenheit und Treue kann durchaus für viele Menschen funktionieren. Das ist doch absolut okay. Es MUSS aber nicht für jeden funktionieren. Ich akzeptiere das – und andersherum wünsche ich mir auch Akzeptanz. Nur weil ich das nicht so sehe, heißt es nicht, dass ich andere Ansichten verurteile. Warum sollte ich das auch? Jeder lebt seine Beziehung so, wie er es möchte. Und jeder muss mit den Konsequenzen leben, die sein Beziehungsstil ihm einbringt. Das ist Bürde genug – auch ohne Verurteilungen, schräge Blicke und „Ich habs dir doch gesagt“.

Hier sind wir bei den moralischen Kartenhäusern angelangt – nämlich bei dem, was einstürzt, sobald jemand anders nicht so lebt, wie du es dir vorstellst. Das ist eine sehr präzise Beschreibung für das, was oft passiert, sobald man über seine eigenen Vorstellungen von Liebe ehrlich spricht. Nicht immer, aber oft. Dabei ist es doch so viel schöner, die Kartenhäuser umzustupsen, alles zu mischen und daraus immer wieder schöne neue Häuser zu bauen. Ohne: „Man sollte nicht“ oder „Wie kannst du nur“.

Ich mache die Zigarette aus und schenke mir Wein nach. Und freue mich schon darauf, nachher neben meinem Freund einzuschlafen. Heute ist Pasta- und Filmabend zu zweit.“

[Dies war eine Geschichte von Lina – notes to herself]

abgelegt unter herzensangelegenheit

Kommentare

  1. […] schrieb ich schon einen Gastbeitrag auf annabelle sagt. über das Thema. Heute haben J. und ich wieder darüber diskutiert. Immer wieder mache ich mir […]

  2. Lina Lina sagt:

    Das würde mich auch interessieren, Martin :)
    Der Text war nicht unbedingt als Plädoyer für offene Beziehungen gedacht – eher als Denkanstoß für die Offenheit anderen Bedürfnissen gegenüber. Wie man die Beziehung dann im Endeffekt ausgestaltet – dafür gibt es wohl kein Patentrezept. Aber ich finde es immer wieder spannend, andere Ansichten zu hören.

  3. Martin Martin sagt:

    Mich hätte interessiert, wie sich das Ganze genau gestaltet. Wie sieht der Alternativentwurf für eine monogame Beziehung aus, die funktionieren kann, ohne zu verletzen? Dennoch: schön geschrieben, danke.

  4. Lady Rosali Lady Rosali sagt:

    Mach doch auch gern mal mit, Patrick. So ganz anonym. Ich verrate es auch keinem…

  5. patrick patrick sagt:

    von wem der text ist hätte ich auch erraten können, bevor ich ganz unten angekommen war. super wie immer.