Endlich Sonntag. Endlich wieder die neue Rubrik. Für diese Texte sollte man sich eine Tasse Tee kochen und Zeit nehmen. Mädchen und Jungen im besten Alter, Mitte 20, schreiben ihre kleine Geschichten und Erfahrungen. Alles für die Liebe. Wir sitzen immer wieder zusammen und erzählen, tratschen, diskutieren, klopfen uns auf die Schultern, werden manchmal laut, halten Hände, träumen mit, ermutigen und schmunzeln. Worüber man eigentlich die meiste Zeit redet? Es sind immer die Herzensangelegenheiten. Manchmal frisst uns dieses ganze Gerede über Liebe und Glücklichsein auf. Wir sehnen uns. Wir teilen die Welt in: Vergeben und Single. Wir verlieben uns. Wir erleben Abenteuer. Wir machen Dinge, die man besser nicht machen sollte. Am besten gleich doppelt. Wir lachen mit. Wir sind traurig. Wir runzeln mit der Stirn und hinterfragen uns: Würde man selbst auch soweit gehen oder wie würde man in dieser Situation handeln? Es kann unglaublich spannend sein von diesen persönlichen und ehrlichen Gedanken zu lesen. Ich will diese sammeln. Aus den verschiedensten Städten und Perspektiven. Was bewegt dich? In erster Linie bat ich liebe Menschen aus meinem Umfeld aufzuschreiben, was für sie Herzensangelegenheiten waren oder immer noch sind. Die Absicht dahinter wirkt: “Du hattest Recht. Es hatte einen kleinen therapeutischen Effekt. Das hätte ich nicht gedacht”. Alle Texte bleiben anonym und zeigen nur einen Gefühlszustand zum Zeitpunkt des Schreibens. Möchtest du auch ein Gastautor in dieser Rubrik werden, dann schreib an: liebesbrief@annabelle-sagt.de. Es folgt eine…
Hearts like ours oder Home is where your heart is.
4 Monate später. Um genau zu sein: 4 Monate 5 Tage und tausende Emotionen später. Greifbar und doch bereits entfernt. Ich sinniere in meine halb gefüllte Kaffeetasse. Soll die komplette Veränderung schon jetzt in Normalität übergehen? Und soll die Fremde auf einmal gar nicht mehr so fremd sein? Wir – das sind er und ich. Verliebt, vereint und verbunden seit fast 7 Jahren. Abenteuererprobt. Vor 4 Monaten und 5 Tagen verließen wir unser altes Leben. Bereit in ein neues zu starten. Zu diesem Zeitpunkt gab es nix außer Hoffnung, Vorfreude und unser gesamtes Hab und Gut in gefühlten tausend Umzugskisten. Mehrere Wochen war ich wie eine emsige Arbeiterbiene damit beschäftigt, eifrig alles von A nach B und von B nach Y zu räumen, um es anschließend in den vielen Kartons, Kistchen, Körbchen, Tütchen und Schächtelchen zu verstauen. Wochenlang gab es kein anderes Thema. Traumwohnung hier, Umzugsunternehmen dort, neue Stadt da… Die Vorbereitungen vereinnahmten uns sehr. So sehr, dass wir gar keine Zeit hatten uns Gedanken darüber zu machen, was dieser Umzug in diese neue Stadt mit neuen Jobs, neuen Menschen und neuer Umgebung bedeuten würde. Es passierte einfach so. Wir waren nur Statisten. In vielerlei Hinsicht. Der Umzug ging dank der Umzugshelfer schnell über die Bühne. Angekommen. Zumindest unser Besitz. Weniger wir. Die neue Traumwohnung schien mit all den Kisten, Möbeln, Stehrumseln und anderen Habseligkeiten grad weniger traumhaft. Vieles fehlte noch. In den ersten Tagen gaukelte mir mein Inneres das Gefühl von Urlaub vor. Die ganze Zeit darauf wartend, dass es endlich heimgeht. Doch dazu kam es nicht. Stattdessen waren die Tage vollgestopft. Arbeiten. Auspacken. Schlafen. Arbeiten. Auspacken. Schlafen. Kaum Zeit zum Nachdenken. Und das Angekommen-Gefühl stellte sich nicht ein. Ich klammerte mich an ihn. Ich hatte hier ja niemanden. Hier in der vermeintlichen Fremde. Für ihn war es leichter. Er hatte in den letzten Jahren mehrfach die Stadt gewechselt, meistens auf meinen Wunsch hin. Zwei Wochen später konnte mein Unterbewusstsein die Füße nicht mehr still halten. Möglicherweise hatte es inzwischen, still und heimlich, begriffen, dass es nicht mehr heim ging. Und es kam, wie es kommen musste: Das große Heimweh! Ähnlich einem Häufchen ähnlich, hockte ich unserer mit Kisten überfüllten Küche. Ich wollte hier nicht sein. Ich wollte nach Hause. Und dann kam das, womit ich am wenigsten rechnete: Er, der sich doch scheinbar hier gut einlebte, sagte: ‚Schreib Bewerbungen, dann gehen wir nach Hause! Mir ist egal, wo wir sind. Hauptsache zusammen.‘ Nun schluchzte ich erst recht. Beeindruckt und erschüttert zugleich. Und mit einmal war das Unbehagen ein Stück weit verschwunden. Mir wurde plötzlich klar, dass ich die ganze Zeit darauf wartete, dass sich das neue Zuhause wie das alte anfühlte. Und das tat es in diesem Moment. Weil er da war. Weil wir zusammen waren. Hier. In der Fremde. Und ich gleichzeitig wählen konnte. Ja, er hatte es mir überlassen, wo wir sind. Im Gegensatz zu mir, machte er das heimische Glück nicht von Umgebungsbedingungen abhängig. Sondern von uns. Von diesem Moment an ging vieles leichter. Ich wusste auf einmal, dass ich in Kistenburgen leben konnte, umgeben von neuen Menschen, neuen Eindrücken. Hauptsache er war da.
Die kommenden Wochen vergingen wie die ersten. Aber auch ein Umzugsgelage und Improvisationsleben hat irgendwann ein Ende. Inzwischen ist alles fertig. Und auch Leipzig entwickelt sich für mich dazu, ein Stück weit Heimat zu werden. Vielleicht auch durch das Wissen im Hinterkopf, dass ich zurück könnte. Mit ihm. Hand in Hand. Seite an Seite. Vielleicht hat es diesen Moment gebraucht. Diesen Moment, in dem er mir zeigt, worauf es ankommt. Diesen Moment, in dem nix anderes zählt, als wir. Diesen Moment der Verbundenheit. Diesen Moment, in dem ich wieder weiß, dass ich nix brauche. Nur ihn.
Nur uns.
Kürzlich schlossen wir einen Pakt. Nach einem Besuch in der alten Heimat hing uns beiden das Herz in der Kniekehle und der Kloß der vergangenen Wochen machte sich wieder breit. Wir einigten uns darauf, die Zelte in Leipzig abzubrechen, sollten wir in einem Jahr nicht „angekommen“ sein. Doch dazu wird es nicht kommen, dessen bin ich mir sicher. Es reicht aus zu wissen, dass wir könnten. Dass ich könnte. Und er bereit wäre. Dass er mir folgt. Wohin auch immer. Dass er da ist und mich auffängt. Dass wir zusammen halten. Und das nach fast 7 Jahren. Mitten im verflixten 7.Jahr, dass sich gar nicht mehr so verflixt anfühlt. Diese Erfahrung hat uns gestärkt. Zusammen alles hinter sich zu lassen. Zusammen einen Neuanfang zu wagen. Zusammen einfach zusammen zu sein. Unabhängig von Ort und Zeit. Er ist mein Zuhause. Immer.“
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