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das leipziger lifestyle magazin. ein hoch auf die kreativen dieser stadt!

if we took a holiday. took some time to celebrate. just one day out of life. it would be so nice.

Bevor man in den Urlaub fährt, hat man ja immer einiges zu tun. Also, das weiß ich nur vom Hörensagen, denn ich fahre selbst ja eher selten in den Urlaub ­­­­– und, wenn dann meistens zu meiner Familie nach Thüringen. Dort hält meine Mama wohlweislich schon einen Vorrat lebenswichtiger Dinge (Unterwäsche, Zahnbürste, wetterfeste Oberbekleidung) bereit, da ich oftmals von einer packtechnischen Senilität heimgesucht werde, sobald ich meinen Koffer packen muss. Der, meinen Recherchen zufolge, landläufig weit verbreitete „prevacationelle Aktivismus“ rührt aber auch daher, dass das Zuhause in Schuss gebracht werden muss, ehe man sich für zwei Wochen nach „Malotze“ verabschiedet. Vermutlich weniger für potentielle Einbrecher, obwohl die natürlich nicht denken sollen, dass sie bei den Hempels, die üblicherweise unter dem Sofa wohnen, eingestiegen sind, aber wohl eher damit das wieder nach Hause kommen noch schöner wird. Das leuchtet mir ein, denn ich erinnere mich noch gut, als ich Leipzig im Hochsommer für drei Wochen entsagte und die Möhren bei meiner Rückkehr Tango auf der Vollholzarbeitsplatte tanzten. Das war nicht schön. So etwas passiert mir nicht wieder, sage ich mir selbst, also das mit den schlecht gepackten Koffern, den vergessenen Lebensmitteln und deswegen sortiere ich jetzt alles und räume auf, damit ich bei meiner Rückkehr sagen kann, was ich ohnehin schon lange weiß: Zuhause ist es eben doch am schönsten. Damit mich ein frisch gemachtes Bett begrüßt und nicht das gammelnde Wurzelgemüse. Ich habe nämlich Urlaub eingereicht. Urlaub von meiner Kolumne.

 

Nach 29 Folgen brauche ich eine Pause. Aber eher so eine Art große Hofpause, nach der man dann mit dem besten Gossip aus den anderen Klassen aufwarten kann und nicht etwa eine Beziehungspause. Denn, wir wissen doch alle, dass letztere sowieso nie gut ausgeht und meistens eine Trennung bedeutet, die dann zäh wie halbtrockenes Kaugummi ist. Nein, nein, nein. Getrennt wird sich hier ganz und gar nicht. Denn in den letzten zweieinhalb Jahren ist die Kolumne für mich und meine Gedanken ein kuscheliges Zuhause geworden, damit sie aus meinem Kopf ausziehen und Platz für Neues schaffen können. Manchmal kommt mir mein Kopf zwar vor wie ein verstopfter Schokobrunnen, aber man muss mit dem klarkommen was man bekommt, richtig? Neben einem Zuhause für meine Gedanken, habe ich auch eine neue Freundin gratis dazu bekommen und vermutlich hat keine von uns geahnt, welch enge Freundschaft aus unserem ersten Meeting im Maître entstehen würde. Ehe mich meine eigene Sentimentalität nun vollends erfasst, ich A. mit weiteren Screenshots unserer ersten Nachrichten bombardiere und ich meinen Kaffee mit Tränen salze, wird jetzt aber endlich aufgeräumt, ehe ich mich temporär verabschiede. Meine Oma trug immer eine weiße Hose aus Frottee, wenn sie der Putzwahn ereilte. Die hab ich zwar nicht, aber ich denke wir schaffen es auch ohne flauschiges Beinkleid.

„Nach 29 Folgen brauche ich eine Pause. Aber eher so eine Art große Hofpause, nach der man dann mit dem besten Gossip aus den anderen Klassen aufwarten kann und nicht etwa eine Beziehungspause.“

Dank meiner lieben Freundin M., habe ich die Kolumnen von 2019 und 2020 in gedruckter Form und, wenn ich dieses wunderschöne Geschenk so durchblättere, überkommt mich eine kurze Welle von Stolz, den ich aber selten länger als drei Sekunden aushalte und dann schnell wegwische. Auch, wenn ich laut Vorstellungstext noch immer das größte Käsespätzle-Fangirl bin, mir nichts sehnlicher wünsche als einen Corgie namens Lobster und auf dem Stegreif einen begeisterten Pitch zum Thema “Schweizer Möbelbausystem und dessen Vorzüge” abfeuern kann, so hat sich in den letzten 29 Monaten doch einiges getan. Klar, auf dem linken Bein kann ich noch immer nicht hüpfen und meine Vorliebe für roten Lippenstift scheint auch einfach nicht abzureißen, aber sonst ist ziemlich viel passiert. Ich habe mich von ziemlich vielen Dingen und Personen verabschiedet. Vom Glauben mich eine Woche lang basisch ernähren zu können und zu wollen. Von meinem rasierten Kopf, obwohl ich das nicht meiner eigenen Willensstärke, sondern der Durchsetzungskraft meiner Friseure Gerd und Moritz zu verdanken habe. Von meinem besten Freund. Von meiner lieben Oma, die die Kolumne über sie zwar nie gutheißen würde, aber deren “Mein Schatz, dein Opa und ich wir wussten immer, dass du das schaffst und zur Sicherheit habe ich noch eine Kerze angezündet” so oft im Ohr habe.

Von meiner Karriere als Berlin-Leipzig-Pendlerin, die ich manchmal vermisse, weil ich dazu neige Vergangenes zu glorifizieren. Wenn mal wieder so ein schwacher Moment gekommen ist – ich meine eingerahmte Bahn-Card 100 betrachte und den teuren Wein im Bordbistro vermisse, tätschle ich mir kurz den Kopf, schüttle ihn und attestiere mir selbst, damals eine ordentliche Meise gehabt zu haben. Es gibt Texte, die ich heute anders sehe, denn ich habe mittlerweile zwei Tattoos mit Bedeutung. Und anstatt den Pendlerfreund nur in meiner Kolumne zu erwähnen, hätte ich ihn mal nach seinem Namen und Nummer fragen sollen. Würde mich eine gute Fee heute nach meinen drei Wünschen fragen, so wäre “mondän zu sein” zwar immer noch meine erste Antwort, aber ich würde die anderen beiden Wünsche nicht mehr aus Großmut unter den Tisch fallen lassen. Komm zurück, gute Fee, ich hab da noch Ideen.

„Nun heißt es: Ciao Kakao, adieu Cordon bleu. Ich freu mich schon jetzt aufs nach Hause kommen und bringe auch etwas Schönes mit. Versprochen.“

Beim weiteren Blättern merke ich aber, dass der Großteil meiner Gedanken auch weiterhin Bestand hat und bin kurz unsicher, ob das nun für meinen gefestigten Charakter spricht, oder aber doch eine Konsequenz meines anhaltenden Starrsinns ist und, ob beides nicht auch irgendwie ein und dasselbe ist. Egal jetzt, Luise! Meine Meinung zu Hochzeiten hat sich jedenfalls nicht geändert, denn ich muss da weiterhin alleine hin. Meine Kuscheltiere führen immer noch ein illustres Leben in Freiheit, außerhalb dunkler Schränke oder Kisten. Auch, wenn die Kolumne über meinen nicht existierenden Kinderwunsch dazu führte, dass dieses eine erste Date nicht zu einem zweiten führen sollte, möchte ich auch nach wie vor keine Kinder. Sorry, Mama. Den Liebesbrief an meine Schwester, die noch immer die wichtigste Person in meinem Leben ist, würde ich wieder so schreiben. Allen Besserungsabsichten zum Trotz bin ich für meine Pflanzen auch weiterhin der Tod. Hortensie Helmut hat zwar den versprochenen „Urban-Jungle“ bekommen, scheint sich selbst aber aufgegeben zu haben, denn er spricht häufig von seiner eigenen Beerdigung. Die vertagen wir, flüstere ich ihm zu, tätschele aufmunternd seine schlabbrigen Blätter an den knusprigen Ästen und schaue mich so um im Zuhause meiner Gedanken. Alles aufgeräumt, sortiert und mich mit der Erkenntnis, mehr gewonnen als verloren zu haben, auf die viel zu vollen Koffer gesetzt, um sie zu schließen. Nun heißt es: Ciao Kakao, adieu Cordon bleu. Ich freu mich schon jetzt aufs nach Hause kommen und bringe auch etwas Schönes mit. Versprochen.

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