Es gibt doch Gelegenheiten und Anlässe im Leben, da lässt man sich ungern direkt in die Karten schauen. Bewerbungsgespräche und erste Dates fallen mir da direkt ein. Da hüllt man schnell die eigene krampfhafte Detailversessenheit ins schmeichelhaft fallende Gewand des Perfektionismus. Beim Assessment Center of Romance pflichtet man dann sofort bei, auch alles ganz easy angehen zu wollen, obwohl man sich noch bei der letzten Hochzeit als einziger Single, im Geiste bereits den Stundenlohn eines Escorts hochrechnend, geschworen hat, einer solchen Festivität nie wieder alleine beizuwohnen. Was soll ich sagen? I have been there too. Werde ich nach den Ingredienzien des Potpourris gefragt, das meinen Charakter ausmacht, so erwähne ich gerne meine Willensstärke. Klingt auch super auf dem Papier, ist allerdings nur die aufpolierte und im Sonnenlicht strahlende Seite der Medaille. Ich könnte jetzt ausführen, wo mich dieses wunderbare Wesensmerkmal schon hingebracht hat, dass ich aufgrund meines Sternzeichens auch gar nicht anders kann und schließlich auch als kleine Luise schon so war. Da ich mich hier aber weder für einen Job bewerbe, noch irgendwelche Vakanzen im Dating Game zu besetzen habe, kann ich ja ehrlich sein und ganz ungeschönt die andere, schnoddrige Seite meiner Willensstärke-Medaille präsentieren: Ich bin unfassbar stur. Das wird mir momentan auf recht schmerzhafte Weise bewusst.
Aber fangen wir doch vorne an. Die letzten zwei Jahre lebte ich den dermatologischen Traum aller, die eine Haut haben, die sich nicht nur mit Wasser und der fetten Creme aus einer blauen Dose zufrieden gibt. Ich hatte den heiligen Gral, die perfekte Pflegeserie, gefunden. Meine Mama schüttelte immer den Kopf, wenn ich bei Heimatbesuchen meine Armada an Tiegeln und Fläschchen auspackte, aber diese zehn Minuten und diverse Pflegeschritte, mit denen ich mein Gesicht morgens und abends bedachte, waren mein täglicher Miniwellnessmoment. Ich war begeistert und ließ alle, die es wissen wollten – oder auch nicht – an meinem Fund für den perfekten Glow teilhaben. Meine Haut und ich waren im Einklang, strahlten den lieben langen Tag vor uns hin und ich dachte, naiv wie ich es manchmal bin, es würde für immer so bleiben. Aber irgendwann saß ich plötzlich alleine auf meiner Wolke 7 im Pflegeroutinen-Himmel, denn meine Haut wollte nicht mehr und wehrte sich gegen die ihr angedachten Treatments. Als einem Entzug nicht mehr aus dem Weg zu gehen war, wurden die teintverbessernden Substanzen einige Tage nur angeschmachtet und nicht benutzt. Manchmal verzichtete ich sogar auf Make-Up und präsentierte mich der Welt ganz au naturel, was ich nie tue, aber auf einer bröckelnde Fassade hält auch die schönste Farbe nicht. Als Besserung am Horizont zu erahnen und ich nicht mehr wie ein Streuselkuchen aussah, tat ich genau nicht das, wozu eine einfache Ratte, laut meinem Papa, in der Lage gewesen wäre, nämlich dem Gift zu entsagen.
Ich hielt an meiner Pflegeserie fest wie Gollum seinerzeit am Ring. Warum? Starrsinn gepaart mit Dummheit, anders kann ich es nicht erklären, denn es ist nicht der größere zweistellige Betrag, den ich mit einer Trennung in die Tonne hauen würde, der mich hindert. Ich habe etwas gefunden und will es nicht mehr hergeben. Meiner Meinung nach, ist die perfekte Gesichtspflege nämlich genauso schwer zu finden, wie ein bindungsbereiter Mann über 30 bei Tinder. Es war das „Perfect Match“ und sowas wirft man doch nicht bei der ersten Irritation einfach hin. Da macht man vielleicht kurz Pause, guckt was der Markt so zu bieten hat, erinnert sich dann wieder, wie viel schöner es doch miteinander ist und versöhnt sich dann schließlich. Wenn sich die Beziehung aber, wie bei uns, in eine toxische Richtung entwickelt, weil meine Haut unbeeindruckt die zweite Runde, mit noch schwereren Geschützen eingeläutet hat und sich die Ähnlichkeit zu Gollum nicht mehr nur aufs Festhalten an Dingen beschränkt, sondern gefühlt auch in eine optische Übereinstimmung ufert, muss die Reißleine gezogen werden. Irgendwer muss hier nachgeben. Ich weiß auch wer es sein wird, aber nicht ohne einen gewissen Stolz, ob der Sturheit meiner Haut, mit der sie ihren Standpunkt klarmacht. Von wem sie das wohl hat?
[Danke an den Showroom von smow LEIPZIG]
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