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your love is bright as ever.

Endlich Sonntag. Endlich eine neue Rubrik. Für diese Texte sollte man sich eine Tasse Tee kochen und Zeit nehmen. Mädchen und Jungen im besten Alter, Mitte 20, schreiben ihre kleine Geschichten und Erfahrungen. Alles für die Liebe. Wir sitzen immer wieder zusammen und erzählen, tratschen, diskutieren, klopfen uns auf die Schultern, werden manchmal laut, halten Hände, träumen mit, ermutigen und schmunzeln. Worüber man eigentlich die meiste Zeit redet? Es sind immer die Herzensangelegenheiten. Manchmal frisst uns dieses ganze Gerede über Liebe und Glücklichsein auf. Wir sehnen uns. Wir teilen die Welt in: Vergeben und Single. Wir verlieben uns. Wir erleben Abenteuer. Wir machen Dinge, die man besser nicht machen sollte. Am besten gleich doppelt. Wir lachen mit. Wir sind traurig. Wir runzeln mit der Stirn und hinterfragen uns: Würde man selbst auch soweit gehen oder wie würde man in dieser Situation handeln? Es kann unglaublich spannend sein von diesen persönlichen und ehrlichen Gedanken zu lesen. Ich will diese sammeln. Aus den verschiedensten Städten und Perspektiven. Was bewegt dich? In erster Linie bat ich liebe Menschen aus meinem Umfeld aufzuschreiben, was für sie Herzensangelegenheiten waren oder immer noch sind. Die Absicht dahinter wirkt: „Du hattest Recht. Es hatte einen kleinen therapeutischen Effekt. Das hätte ich nicht gedacht“. Alle Texte bleiben anonym und zeigen nur einen Gefühlszustand zum Zeitpunkt des Schreibens. Möchtest du auch ein Gastautor in dieser Rubrik werden, dann schreib an: liebesbrief@annabelle-sagt.de. Wir beginnen mit einer…

Zum Teufel mit dem Perfektionismus oder der Geschlechtspartnerwahl nach Ähnlichkeit des Pizzabelages.

Hallo, ich bin 25 Jahre alt, wohne in Berlin und bin Single. Klingt ein bisschen, wie eine Krankenakte. Irgendwo in einer dichten Dunstwolke aus Erwachsenwerden, diversen Erwartungshaltungen externer Autoritäten und einem Drang, nicht einsam sterben zu wollen, bin ich immer noch auf der Suche nach der Liebe.

Wenn man das jetzt hier so aufschreibt und laut ausspricht, klingt es auch ein wenig verrückt. Aber so ist das nun mal mit Dingen, die man selbst nicht begreifen, anfassen oder analysieren kann. „Gibt es hier denn nur noch Verrückte?!!“ höre ich meine Freunde oft genug sagen. Mit „Verrückte“ sind alle Singles in der Hauptstadt gemeint, die sich auf Grund seltsamer Eigenschaften dazu qualifizieren, dass man über sie redet und bilden die Basis des Umstandes, dass der Untergang der romantischen Liebe vorhergesagt wird. Wenn diese Vorahnung nicht schon längst eingetreten ist – denn wie die Medien berichten ist die Generation Y längst abgestumpft durch ein Überangebot von Reizen und der ständigen Verfügbarkeit. Ich lag kürzlich auf dem Sofa und habe mir überlegt, dass ich wahrscheinlich jahrelang überleben würde, ohne jemals aus dem Haus gehen zu müssen. Damit meine ich nicht nur die Abdeckung der Grundbedürfnisse (siehe Lieferdienste) oder den Kontakt zur Außenwelt dank digitaler Kommunikationsplattformen, sondern könnte ich mir auch noch Männer von einschlägigen Dating-Apps zu mir nach Hause einladen. Der Gedanke beunruhigt und erleichtert mich zugleich. Jetzt komme ich zur Sache, die mich im Zusammenhang mit der Liebe am meisten nervt. Die Erziehung zur ständigen Perfektion, egal ob in der Schule, im Beruf oder im privaten Leben vermischt mit dem Voyarismus durch Facebook und Co. führt zu einem Standard, den nur die kitschigsten Hollywood-Filme und Schnulzenbücher erreichen. Der „Heilige Gral“ der Liebe (übertragbar auf alle Bereiche in unserem Leben) wird uns in unerreichbare Höhen auf einem Teller präsentiert und duldet keine alternativen Gefühle und Konstellationen. Generation Individualität – aber bitte keine Überraschungen! Im Gegensatz zu Filmen, besteht unser Leben aus hunderten Nebensträngen und Erfahrungen, die manchmal ganz schön unretuschiert und überhaupt nicht sexy sind.

Ich plädiere für mehr zwischenmenschliche Hingabe, für weniger Perfektionismus und ein Verbot von Kommunikationsanalysen. Wer kennt diese Runden nicht, in der jedes Wort, Smiley und autocorrect-Fehler bis ins tiefste Detail kaputt analysiert wird? Extra drei Tage nicht geantwortet wird, damit man nicht verzweifelt wirkt? SMS tagelang speichert und korrigiert werden, damit auch jedes spontane Gefühl in einer persönlichen Nachrichten verschwindet? Warum -verdammt nochmal- haben alle so große Angst davor sich so zu zeigen, wie sie sind und frei zu sagen, was sie wollen? Lasst uns intime Beziehungen mit Menschen führen können, mit denen man nicht mehr teilt als den gleichen Lieblingsclub oder Lieblingspizzabelag. Lasst uns Liebesbeziehungen führen, die zum Scheitern verurteilt sind und sich einfach mal treiben lassen ohne im Kopf schon 10 Schritte weiter zu sein. Ich will nicht mit dem Druck leben, dass alle meine Momente/Freundschaften/Liebschaften perfekt sein, sondern den Anspruch haben, dass sie echt sein müssen und für immer einen Platz in meinen Erinnerungen verdient haben. Um dies zu verdeutlichen, nenne ich ein Beispiel: Der Besuch meines Exfreundes im Sommer über ein ganzes Wochenende. 9 von 10 Freunden haben die Hände über den Kopf zusammen geschlagen, 5 von 5 Frauenzeitungen rieten mir davon ab und ausnahmslos alle fragten mich, ob das damit zutun hat, dass ich sonst niemand daten würde (plus mitleidender Blick). Freunde, ich war weder verzweifelt, noch geisteskrank, sondern entschied aus dem Bauch heraus, was im Endeffekt richtig war. Und zum Protokoll: Wir sind weder wieder zusammen, noch verkracht, noch unglücklich oder haben sonstigen Schade davon getragen, außer, dass wir eine Erinnerung geschafft haben, die vielleicht nie verfilmt wird, die aber durchaus echt war. Dies soll aber natürlich auch keine Aufforderung sein, sich in vorhersehbares Unglück zu stürzen, sondern sich bewusst von Vorstellungen und Grenzen im Kopf zu lösen – und weniger kritisch mit sich du anderen zu sein.

Vor Jahren habe ich den Fehler gemacht, eine kleine und am Anfang stehende Liebe mit Tomáš und Teresa oder sogar Lysander und Hermia zu vergleichen – und habe vergessen, dass man seine Geschichte selbst schreiben muss und nicht abschreiben kann. Nicht umsonst heißt das Genre „Ficton“ („The category of literature, drama, film, or other creative work whose content is imagined and is not necessarilybased on fact“.) Perfektion ist ein subjektives Empfinden, dem wir ab und zu etwas Ruhe geben müssen und uns daran erinnern, dass wir uns ziemlich oft selbst im Weg stehen mit Ansprüchen, die nicht mal unsere Eigenen sind. Und klar, klingt das leichter als es ist, aber ich habe dieses Jahr aufgehört alles um mich rum ständig in Frage zu stellen – und ich bin bis jetzt sehr glücklich damit und vom Leben überrascht worden.

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